Wir toeten nicht jeden
bei Kolleginnen untergekommen, zwei, die sich besser kennenlernen wollen, wollen schließlich allein sein, erklärt sie leicht errötend und bittet mich dann inständig, Yolanda nicht zu verraten, dass sie die Überraschung verdorben hat. Ich schwöre es ihr, und da sie mich schon mal zu Wort kommen lässt, nutze ich die Gelegenheit, um gleich auch noch den Irrtum aufzuklären: Eigentlich wollte ich ja Sven besuchen, um über die Fortschritte meines Sohnes beim Schwimmen zu sprechen.
»Ah, jetzt verstehe ich! An und für sich wohnt er ja schon hier. Aber Yoli hat ihn heute Morgen gefragt, ob er mit ihr tauscht, weil die hier mehr … Privatsphäre zulasse. Svens Hütte ist jetzt die sechste von hier aus.«
Ich bin ein Idiot. Ein Vollidiot. Bis gestern Abend hat Sven hier gewohnt. Yolanda wollte nur die Zeit, die wir miteinander verbringen, romantischer gestalten.
»Außerdem kann man in dieser hier nachts das Meer hören«, erklärt Carmen nun und deutet auf einen Bretterhaufen neben der Tür. »Sag, wo hättest du gern das Bett?«
Das ist ebenfalls neu. Bis vor ein paar Stunden gab es hier nur zwei schmale Betten, aber jetzt warten die Teile eines Doppelbetts darauf, aufgebaut zu werden. Ich zeige zum Fenster, von dem aus man am besten die Brandung hört, und helfe Carmen beim Aufstellen.
Dabei frage ich sie beiläufig, wie lange sie Yolanda schon kennt, worauf sie »Oh, erst ein paar Monate« erwidert, was sich aber so anhört, als würden sie schon das ganze Leben lang miteinander befreundet sein. Ich beneide sie: Es muss schön sein, ohne Argwohn durch die Welt zu gehen, ohne die ständige Furcht, dass ein Freund dich jeden Moment umbringen kann.
»Und jetzt geh«, bittet sie mich danach mit sanfter Stimme. »Wenn Yoli mitkriegt, dass du schon hier warst, bringt sie mich um.« Lächelnd schüttelt sie den Kopf. »Es hat sie echt schwer erwischt. Dabei lässt sie sich normalerweise nicht so schnell den Kopf verdrehen …«
Verzeih mir, Yolanda.
Ich verabschiede mich verwirrt und gehe an den Hütten entlang, zähle bis sechs. Doch noch bevor ich an die Tür klopfe, stockt mir das Blut in den Adern. Drinnen vögeln ein Mann und eine Frau mit wildem Eifer. Gibt es auf diesem Campingplatz denn keine andere Beschäftigung?
Sofía.
Bitte, bitte lass es Sofía sein.
Es muss einfach Sofía sein.
Ich halte die Luft an, lausche angestrengt und versuche anhand des Stöhnens herauszufinden, wer die Frau ist, die hinter der Holzwand auf den Orgasmus zusteuert. Es ist wie das Spiel mit den weißen Blütenblättern der Margerite: Mit jedem Stöhnen ändere ich meine Meinung. Es ist Yolanda … sie ist es nicht … sie ist es, meine Fingerspitzen spüren noch ihre Haut, mein Mund schmeckt noch den Duft ihres Geschlechts, das spült keine Dusche so schnell fort, sie ist es nicht, wie ihr Körper sich vor Lust aufbäumte, als ich in ihr war, sie ist es, ihr Stöhnen, das ich mehr auf ihren Lippen zu sehen glaubte, als es zu hören, sie ist es nicht, das aber laut und deutlich zu vernehmen war und das ich immer noch höre, sie ist es, es klingt nach feurigem Blut und gleichzeitig hell wie vom Wind gepeitschtes Glas, sie ist es nicht, nach entfesselter, heißer Wollust, sie ist es, nach einem warmem Fluss, Lava und Jasmin, wie ein Erdbeben mit mehreren Stößen, sie ist es nicht, animalisch und heftig, ein Salto mortale von Wolke zu Wolke, sie ist es …
In Polizeimanier hämmere ich gegen die Tür. Drinnen ist ein Fluch auf Schwedisch zu hören, das Stöhnen der Frau, die es ist oder vielleicht auch nicht, und dann taucht ein hochroter Sven im Türrahmen auf, das noch erigierte Geschlecht kaum hinter der Holztür verborgen.
Als er mich sieht, erschrickt er. Er und sein Schwanz, der augenblicklich erschlafft.
Durch den Türspalt blicke ich in einen Spiegel, in dem ein nackter Frauenkörper zu sehen ist. Nur die Oberschenkel und der Po. Das reicht nicht. Zwar kann man sich in einer einzigen Nacht unsterblich in eine Frau verlieben, aber da ist so viel kennenzulernen, dass man sich kaum an solche Details erinnern kann.
Sven steht da und sieht mich an. Nach dem ersten Schreck wartet er ab. Und ich rufe Juanito an, der mir sogleich zu Hilfe eilt.
»Ich … vielleicht habe ich keinen guten Moment erwischt«, stammele ich. »Aber ich wollte … ich wollte Ihnen dafür danken, dass Sie sich so um meinen Sohn kümmern.«
Er holt Luft. Alles in Ordnung: Er schöpft keinen Verdacht. Ein Satz und die Miene eines
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