Wir toeten nicht jeden
Rücken, auf der Suche nach der besten Stelle für den tödlichen Biss.
20
»Kannten Sie den Toten?«
Arregui wirkt imposanter, als ich ihn in Erinnerung habe. Vielleicht komme ich mir aber auch nur kleiner vor.
»Ich glaube nicht, Kommissar. Ich bin erst seit zwei Tagen hier, da kennt man noch so gut wie keine Leute.«
»Schwindeln Sie da nicht ein bisschen, Señor Pérez? Nach meinen Informationen haben Sie hier zumindest schon eine interessante Bekannte.«
Er ist schnell, dieser Arregui. Sicher hat er sich die Anmeldeformulare des Campingplatzes geben lassen. Und mein Allerweltsname klingt nun mal einfach wie ein Deckname. Ein paar geschickte Fragen, und Yolandas beflissener Chef hat ihm bestimmt meine ganze Liebesgeschichte erzählt. Was tun? Wenn ich Yolandas Version von unserer Beziehung widerspreche, könnte er Verdacht schöpfen.
Ich lächle also verschämt und bin ganz Juanito, während ich ihm von der Überraschung erzähle, die ich meiner Freundin bereiten wollte. Glaubt er mir, oder glaubt er mir nicht? Schwer zu sagen, denn er hört mir mit unbewegter Miene zu.
»Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mit Ihnen frühstücke?«, fragt er, als ich mit meinem Lügenmärchen fertig bin. »Man hat mich so früh aus den Federn geklingelt, dass es nicht einmal für einen Kaffee gereicht hat.«
»Natürlich nicht, Kommissar.« Ich winke dem Kellner, dass er ihm einen doppelten Espresso bringt, und schiebe die Zuckerdose zu ihm hinüber. »Ich dachte eigentlich, Sie arbeiten in Madrid.«
»Tue ich auch. Aber man hat mich herbeordert. Wegen des Toten.«
Ich muss mich für eine Taktik entscheiden, darf nicht Svens Fehler wiederholen. Plappere ich munter über irgendwas drauflos, als gehe es um mein Leben, oder spiele ich den Ahnungslosen und frage verwundert, warum wegen eines Unglücksfalls in Murcia ein Ermittler aus Madrid geholt wird?
»Meines Wissens war es doch ein natürlicher Tod, oder etwa nicht?«
»Schon, Señor Pérez. Allerdings verursacht durch den Biss einer Spinne. So einer exotischen, wie Sie und ich sie schon kennen.«
Unbehaglich rutsche ich auf meinem Stuhl herum, wie dies in meiner Lage selbst der Unschuldigste tun würde.
»Ich …? Mit derselben Art Spinne, meinen Sie?«
»Sieht ganz so aus. Zumindest dem ersten Eindruck des hiesigen Gerichtsmediziners nach zu schließen. Und da seit Jahren alle Polizeibehörden instruiert sind, mich über jeden Toten mit dieser Todesursache zu informieren, bin ich jetzt eben hier.«
»Das beruhigt mich sehr, Kommissar Arregui. Wenn ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann …«
»Sie sagen, Sie kannten den Toten nicht.«
»Ich glaube nicht. Wie hieß er eigentlich?«
»Arturo Blanco Morgades. Er war Handelsvertreter oder so was Ähnliches. Ich finde allerdings, dass er eher wie ein Schlägertyp aussah. Aber der Schein kann ja bekanntlich trügen. Kommt Ihnen der Name irgendwie bekannt vor, Señor Pérez?«
Falle.
Falle.
Falle.
Ganz entspannt sitzt er da und rührt in seinem Kaffee, wartet, dass ich mich verplappere.
»Hm … ja, irgendwie schon, aber Sie wissen ja, ich bin ebenfalls Handelsvertreter, und da begegnet man so vielen Leuten …«
»Das hier haben wir in seinem Wohnwagen gefunden.«
Er schiebt eine Visitenkarte über den Tisch. Eine von meinen. Ich habe immer einige dabei, wenn ich Juan Pérez Pérez bin. Ich habe Visitenkarten von allen meinen beruflichen Persönlichkeiten. Aber ich verteile sie nicht an andere Killer. Erst recht nicht an die, die auf meiner privaten Abschussliste stehen.
»Wie ich Ihnen schon sagte, Kommissar: In unserer Branche hat man mit so vielen Leuten zu tun, dass das nichts Ungewöhnliches ist. Hier bin ich jedoch auf Urlaub, und außer … Sie wissen schon, habe ich bisher nur Andrés Camilleri kennengelernt, einen emeritierten Literaturprofessor. Wenn der Tote meine Karte hatte, dann wohl von irgendeinem Zusammentreffen in Madrid.«
»Und deshalb hat er sie auf einen FKK-Campingplatz mitgenommen.«
Höchste Zeit, dass Juanito sich auf den – gerade nicht vorhandenen – Schlips getreten fühlt.
»Was wollen Sie damit sagen, Kommissar?«, rufe ich entrüstet. »Wollen Sie mir unterstellen, dass … Da irren Sie sich aber gewaltig!«
Arregui seufzt. Seine Pranken spielen mit meiner Karte herum.
»Gut möglich. Vielleicht irre ich mich wirklich in Ihnen, Señor Pérez. Vielleicht trage ich seit vier Jahren völlig umsonst Mordfälle zusammen, die mithilfe des Gifts von Spinnen
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