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Wir toeten nicht jeden

Wir toeten nicht jeden

Titel: Wir toeten nicht jeden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Salem
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einigen Sexshops sei. Der Detektiv irrte sich. Arregui hat nämlich wie jeder Ermittler ein Ritual, wenn er Indizien kombinieren und den Tathergang rekonstruieren muss: Er sieht sich Pornofilme an. Das weiß ich, weil wir mehr als einmal in benachbarten Kabinen waren. Keine Ahnung, ob es ihn nicht erregt, was er da sieht, jedenfalls geht er mit versonnener Miene wieder hinaus, als hätte er vor der Leinwand mit gestellten Ficks das gefunden, was Sherlock Holmes immer beim Geigenspiel und Kokaingenuss entdeckt hat. Ein wirklich komischer Kauz, dieser Arregui.
    Seit ich beschlossen habe, ihn nicht umzubringen, denke ich oft an ihn.
    Ich hätte ihn gern zum Freund.
    Wenn ich nicht ich wäre, sondern ein anderer.
    Der Tote ist jedenfalls nicht der Richter, so viel steht fest. In der Cafeteria frühstückt Leticia mit den Kindern voller Gelassenheit. Als sie mich kommen sieht, wird sie wegen ihres nächtlichen Fauxpas kurz rot, gewinnt aber ihr Selbstvertrauen gleich wieder zurück. Sie habe gerade mit Gaspar telefoniert, erklärt sie, als ich an ihren Tisch trete, er komme kurz vor dem Mittagessen zurück.
    »Wir haben auch über deinen Urlaub gesprochen, Juan, und er meinte, er unternehme gern mal was mit den Kindern.«
    Dabei hat sie mit dem Kinn auf meinen »Urlaub« gedeutet: Draußen läuft gerade Yolanda vorbei. Seit wann bin ich für meine Ex Juan und nicht mehr Juanito? Leticias Augen wirken jedenfalls friedlich. Oder ist es Entschlossenheit, die ich darin sehe? Hat Camilleri recht? Kann es sein, dass sie meinen Tod in Auftrag gegeben hat? Nein, das kann ich nicht glauben. Und ich will es auch nicht glauben. Obwohl sie mehr Grund als jeder andere dazu hätte und ihr berühmter Vater die nötigen Kontakte und Mittel, um zum Auftraggeber meiner FIRMA zu werden.
    Der alte Professor winkt mich mit verschwörerischer Miene zu sich an den Tisch.
    »Guten Morgen, mein lieber Freund. Ist das nicht wunderbar? Ein Toter. Genau das, was Ihrem Plot noch gefehlt hat«, flüstert er mit schriftstellerischem Eifer. »So beginnen viele meiner Romane: mit jemandem, der völlig unerwartet gestorben ist, was sich im Laufe der Handlung aber als gar nicht so überraschend herausstellen wird. Vergessen Sie nicht, was ich Ihnen gestern Nacht erklärt habe, Juan: In einem Roman gibt es für alles einen Grund, kein Tod geschieht zufällig.«
    In diesem Moment tippt mir Yolanda auf die Schultern und zieht mich mit einem entschuldigenden Lächeln für den Professor hinüber zu einem Tisch, auf dem zwei dampfende Tassen Kaffee ein gemeinsames Frühstück verheißen.
    Sie ist schöner als jede TV-Moderatorin. Und noch dazu tüchtiger: Sie ist auf dem neuesten Stand. Auch wenn sie mir natürlich einen anderen Namen zuraunt, weiß ich, wer der Tote ist. Die Beschreibung genügt. Er wurde vor der Tür seines Wohnwagens gefunden.
    Ohne sichtbare Verletzungen.
    Es ist Nummer Dreizehn.
    »Anscheinend hat der Gerichtsmediziner bei der ersten Untersuchung eine rote Stelle an seiner Hand gefunden. Als hätte ihn ein ganz kleines Tier gebissen.« Sie hält inne und schüttelt verwundert den Kopf. »Juan, hörst du mir überhaupt zu? Wenn du noch mehr Zucker in deinen Kaffee kippst, bleibt der Löffel gleich senkrecht drin stecken.«
    Sieben Löffel. Trotzdem schmeckt der Kaffee bitter. Sehr bitter.
    Als ich die Tasse abstelle, fällt mein Blick auf Camilleri, der mit dem Frühstück fertig ist und mir zum Abschied zuzwinkert. Gott sei Dank kam Nummer Dreizehn letzte Nacht nicht in dem »Roman« vor, den ich ihm in der Höhle erzählt habe. Ich will schon erleichtert aufatmen, runzele dann aber die Stirn. Und wenn ich es in meinem Suff doch …?
    Yolanda ist inzwischen auch aufgestanden und erinnert mich noch einmal an unsere Siesta-Verabredung, bevor sie geht. Ihr Lächeln zum Abschied ist eine erneute Verheißung.
    Ich brauche noch mehr Kaffee. Mich quält kein Kater, sondern ein Haufen Fragen.
    Eigentlich wollte ich Nummer Dreizehn heute umbringen. Und zwar so, dass es ganz nach einem Unfall aussieht. Jemand ist mir zuvorgekommen. Und der Biss weist ganz auf meine FIRMA hin. Die Sache wird immer vertrackter …
    »Die Sache wird immer vertrackter«, sagt Arregui, als er sich auf den Stuhl setzt, auf dem bis vor einer Minute noch Yolanda saß. »Offenbar werden Sie von seltsamen Geisterspinnen verfolgt, Señor Pérez.«
    Er hat recht.
    In diesem Moment fühlt es sich an, als krabbelten mir eine Horde kleiner, wild gewordener Spinnen über den

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