Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir toeten nicht jeden

Wir toeten nicht jeden

Titel: Wir toeten nicht jeden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Salem
Vom Netzwerk:
konfuser.«
    »Und deshalb …?«
    »Und deshalb habe ich beschlossen, früher damit anzufangen.«
    »Wie viel … früher?«
    »Na ja, jetzt. Hier, auf diesem Campingplatz.«
    »…«
    »Sieh mich nicht so an, Papi. Ich bin aufgeklärt und weiß, wie man verhütet, das ist nicht mehr wie zu eurer Zeit. Und da ist ein Junge, Borja. Er ist ein bisschen älter als ich, aber nicht viel, nur ein knappes Jahr. Mein erstes Mal soll mit ihm sein.«
    »Wie ich sehe, hast du dir alles schon reiflich überlegt. Was soll ich dann dazu noch sagen?«
    »Wie du darüber denkst.«
    »Ich denke, das geht in Ordnung.«
    »Aber …«, die bisher so selbstsichere Leti beginnt zu stammeln, »aber du hast doch bestimmt was einzuwenden, Papi!«
    »Nein, hab ich nicht. Ich will dir nur noch eine Kleinigkeit zu bedenken geben: Sex ist kein Studienfach im Leben, Leti. Es ist gut und richtig, dass du dir Gedanken darüber machst und klare Vorstellungen hast, aber du darfst dabei nicht das Begehren vergessen. Sex, ohne den anderen wirklich zu begehren, ist wie eine Ehe ohne Liebe.«
    »Wie die von dir und Mama.«
    »Nein, das stimmt nicht. Wir haben uns einmal sehr geliebt, Leti. Aber manchmal passiert es eben, dass …«
    »Mama zufolge warst du auch ganz gut im Bett.«
    »Das hat sie dir erzählt?«
    »Nein, natürlich nicht, Papi. Wenn Mama wüsste, worüber wir gerade reden, würde sie deinen halben Unterhalt für eine Erziehungsberatung ausgeben. Nein, ich habe es nur mitbekommen, wie sie mit ihren Freundinnen darüber gesprochen hat. Und zwar mehr als einmal …«
    »Um mich geht es jetzt aber nicht, Leti.« Ich räuspere mich. »Also, wie ich schon sagte: Beim Sex ist es wichtig, dass du den Jungen wirklich begehrst; wenn du ihn auch lieben würdest, wäre das natürlich noch besser. Aber Sex, Leti, Sex, ohne dass du wirklich Lust dazu hast, ist bloß Gymnastik.«
    »O Gott, wie langweilig!«
    »Nein, langweilig ist das durchaus nicht; Sex ist nur keine Hausaufgabe, die man erledigen muss, kein rot angestrichener Termin im Kalender, verstehst du?«
    »So in etwa …«
    »Ich mache dir einen Vorschlag, Leti. Sieh dir diesen Jungen noch eine Weile an. Und horch in dein Inneres. Wenn du es dann wirklich mit ihm machen willst, wenn du wirklich Verlangen danach hast, tu es. Wenn aber nicht, dann verschieb es einfach noch ein bisschen, bis du den triffst, mit dem …«
    »Klingt vernünftig«, unterbricht mich meine Tochter schnell. »Okay, ich überleg’s mir. Aber dann musst du mir auch etwas versprechen.«
    »Was immer du willst.«
    »Wenn ich es mir überlegt habe und merke, dass ich es furchtbar gerne mit Borja tun würde, dann möchte ich, dass du mit ihm redest.«
    »Mit wem?«
    »O Papi, mit Borja! Dem Jungen hier vom Campingplatz! Er behauptet, dass er schon Erfahrung hat, aber ich fürchte, das sagt er nur so, und in Wirklichkeit hat er noch keinen blassen Schimmer. Wenn ich mich für ihn entscheide, erklärst du ihm, wie es geht, okay?«
    Damit ist die Sache für sie geritzt. Ohne meine Antwort abzuwarten, springt sie auf und läuft Richtung Strand davon.
    Vom anderen Ende des Pools tut Kommissar Arregui so, als hätte er mich eben erst entdeckt, und kommt auf mich zu.
    Ich lächle.
    Nach dem, was ich gerade durchgestanden habe, sind seine Fragen für mich sicher ein Kinderspiel.
     

21
     
    »Darf ich mich setzen?«
    »Aber natürlich!«
    Mit einem freundlichen Lächeln deute ich auf den Korbsessel gegenüber. Kaum hat Arregui Platz genommen, streckt er wohlig die Beine von sich.
    »Ich muss schon sagen, Sie haben sich wirklich ein schönes Plätzchen für Ihren Urlaub ausgesucht.«
    »Ja, nicht wahr? Aber sagen Sie, Kommissar, wollen wir uns nicht duzen?«
    »Gern. Schließlich sind wir ja fast schon alte Bekannte, und wer weiß, vielleicht werden wir bei all den Toten am Ende gar noch Freunde, Juan.«
    »Meine Freunde nennen mich Juanito.«
    »Wirklich? Das passt so gar nicht zu Ih… zu dir, finde ich. Aber mir soll’s recht sein: Also, Juanito, ich heiße José María. Für meine Freunde bin ich aber Txema.«
    Das wusste ich natürlich längst, wie so vieles andere über ihn, weshalb ich um ein Haar auch einen fatalen Fehler begangen hätte, als die Bedienung plötzlich vor uns steht. Beinahe hätte ich für ihn sein Lieblingsgetränk geordert: einen Bourbon Four Roses mit zwei Eiswürfeln. Ich kann mich gerade noch beherrschen, und er bestellt selbst.
    »Es ist wirklich schön hier, Juanito. Ich muss gestehen, als

Weitere Kostenlose Bücher