Wir toeten nicht jeden
ich gehört habe, dass der Tatort ein FKK-Campingplatz ist, dachte ich, ich treffe hier entweder nur Snobs oder lauter Proleten an. Aber die Camper hier sind völlig normal und total entspannt … Und die Landschaft, Juanito, die Landschaft … Ich sollte meinen Resturlaub nehmen …«
»Kommst du mit deinen Ermittlungen voran?«
»O ja. Und ich habe eine erfreuliche Nachricht für dich. Die Sache mit deiner Visitenkarte hat sich geklärt. Entschuldige bitte, wenn ich dir vorhin damit auf die Nerven gegangen bin, wir Bullen können’s einfach nicht lassen. Was kannst du schließlich dafür, dass in den letzten Jahren ein paar Scheißspinnen Leute töten …«
Fragen oder nicht fragen? Egal, entscheidend ist, dass er mich nicht mehr im Verdacht hat. Obwohl … auch ein völlig Unschuldiger würde schließlich erfahren wollen, warum man seine Visitenkarte bei einem ihm unbekannten Toten gefunden hat.
»Und wie kommt die Visitenkarte …?«
»Ach ja, genau, weißt du, für alles findet sich eine Erklärung, wenn man nur richtig danach sucht. Du willst also wissen, warum Blanco Morgades deine Visitenkarte hatte? Nun, ganz einfach: Weil er in derselben Firma wie du gearbeitet hat. Da ist es ganz normal, dass er erfahren hat, dass du auch hier Urlaub machst, und dich irgendwann kontaktieren wollte, oder?«
»Klar. Das klingt logisch«, erwidere ich misstrauisch. Die Erklärung ist mir irgendwie zu simpel.
Arregui trinkt sein Glas leer und sieht mich dann völlig unbekümmert an.
»Bloß eins verstehe ich dabei nicht, Juanito: Dass du ihn nicht kanntest. Eurer Verwaltung zufolge arbeitet er seit zehn Jahren im Vertrieb, noch dazu in einer Abteilung, deren stellvertretender Leiter du bist. Seltsam, nicht? Aber euer Unternehmen ist natürlich sehr groß …« Er steht auf und gähnt herzhaft. »Ach, Juanito, bevor ich’s vergesse: Ich hätte da noch eine etwas delikate Frage. Ich muss nachher nach Cartagena. Weißt du, ob es dort irgendwo einen Sexshop gibt?«
Vorläufige Bilanz des Tages: Drei Pärchen sind abgereist. Bei der vielen Polizei und einem Toten haben sie sich wohl für einen anderen Strand entschieden, auch wenn sie dort nicht alle Hüllen fallen lassen können. Wahrscheinlich waren es heimliche Liebespaare, die hier als fortschrittliche Eheleute auftraten und keinen Ärger wollten.
Yolandas letzter Meldung zufolge konnte ihr beflissener Chef mit Arregui einen Deal aushandeln: Es wird nicht über frei herumlaufende Mörderspinnen gesprochen, ehe der endgültige Bericht des Gerichtsmediziners aus Barcelona da ist. Und das kann Wochen dauern.
Das bedeutet aber auch, dass Arregui die Möglichkeit eines rein zufälligen Spinnenbisses nicht in Erwägung zieht.
Er denkt an zweibeinige Spinnen.
Er denkt an mich.
Ich schalte das Handy ein.
Keine weiteren Anrufe.
Ich stehe auf und mache mich auf den Weg zur Cafeteria. Beltrán ist zurück. Am Nachmittag hat er zwar wieder einen Termin, aber auf dem Weg dorthin hat er auf dem Campingplatz Station gemacht und mir eben von Weitem zugerufen, dass er mich vor dem Mittagessen auf einen Aperitif einladen will. Seine Stimme hat sehr ernst geklungen: Ich hoffe, er bittet mich nicht nachträglich um die Erlaubnis, mit meiner Ex ins Bett steigen zu dürfen.
Bevor er aber auch nur ein Wort sagen kann, kommt Camilleri mit den letzten Neuigkeiten an den Tresen. Die Polizisten haben nicht besonders systematisch herumgefragt, wem zwischen vier und sechs Uhr morgens, der ungefähren Tatzeit, irgendwas aufgefallen ist.
»Mich hat dieser Kommissar ausgequetscht, der Hüne mit den Pranken eines Boxers. Ein kluger Kopf, Juan, ein sehr kluger Kopf. Ich habe ihm erzählt, dass wir beide uns gestern Nacht einen gehörigen Rausch angetrunken haben und gegen drei, halb vier schlafen gegangen sind.«
Unbewusst hat Camilleri den Verdacht von mir abgelenkt. Er ist mein Alibi. So wie ich das von Yolanda bin, deren streichelnde Hände ich zwischen fünf und sechs gespürt haben muss: Wenn die Beamten mich befragen, werde ich erklären, dass sie mich schon in meinem Zelt erwartet hat, als der Professor und ich uns trennten. Ich muss es ihr unbedingt sagen, damit sie nicht etwas anderes behauptet. Obwohl … muss ich das wirklich? Schließlich könnte es ja durchaus sein, dass sie … Die Paranoia ist wieder da. Nein, Yolanda doch nicht, das kann nicht sein. Wann höre ich endlich auf, ihr zu misstrauen?
»Also, dann bis gleich, ich will mich noch etwas
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