Wir toeten nicht jeden
Kochlöffel in dieser Suppe, die von Mal zu Mal dicker wird und in der ich, wenn ich nicht aufpasse, als Knochen ende. Als blanker, ausgekochter Knochen, der in die Mülltonne wandert …
Ach was, man sollte den Teufel nicht an die Wand malen. Und an irgendjemanden muss man schließlich glauben.
Ich habe an die ehemalige Nummer Drei geglaubt.
Und er an mich.
Okay, ich habe ihn umgebracht, aber das war eine berufliche Geschichte, und er hat das sicher verstanden. Zumindest hoffe ich das.
An irgendjemanden muss man einfach glauben. Während ich mein Glas austrinke, sage ich mir im Stillen, dass ich an Richter Beltrán und an Kommissar Arregui glaube.
Und an Yolanda.
Jeder der drei kann mein Untergang sein.
Aber ich glaube trotzdem an sie.
Mittagessenszeit. Auf der Terrasse des Restaurants haben die Kellner mehrere Tische zusammengerückt. Wie für eine Hochzeitsgesellschaft, ein riesiges Picknick oder eine verspätete Geburtstagsfeier. Tony und Sofía, Camilleri, die Kinder, der Richter, meine Ex und drei leere Stühle. Zwei davon sind für Yolanda, die sich verlegen setzt, und für mich. Bleibt ein freier Stuhl. Für einen Gast, der etwas später kommt. Zum Dessert. Arregui.
»Wusstest du, dass Txema mit Gaspar befreundet ist?«
Das hätte ich mir denken können: der unbestechliche Richter, den das ganze Land bewundert, der aber insgeheim vor Angst zittert, und der intellektuelle Polizist, der sich am besten bei Pornofilmen konzentrieren kann. Aber es hat auch etwas Gutes: Wenn einer der beiden harmlos ist, dann ist es der andere wahrscheinlich auch. Und wenn sie mir beide eine Falle stellen, weiß ich endlich, auf wen ich zielen muss.
Leticia lächelt herzlich. Das Festgelage war ihre Idee gewesen. Sie hat alle diese Menschen eingeladen, die auf die eine oder andere Weise mit mir verbunden sind.
Will sie Frieden mit mir schließen?
Sich für den Gefühlsüberschwang von letzter Nacht entschuldigen?
Oder ist das einer ihrer grausamen Späße, die sie so gerne mit Juanito getrieben hat?
Ich befürchte das Schlimmste: ein Friedensangebot.
»Wieso hast du mir nie von Tony erzählt? Und dass du Txema kennst?«, schilt sie mich aus, wenn auch mit einem breiten Grinsen, und wendet sich dann an Yolanda. »Daran wirst du dich gewöhnen müssen, Juan ist furchtbar vergesslich.«
Ich lache ein bisschen. Und erkläre allen, dass die Welt wirklich ein Dorf ist.
Arregui springt mir bei: Ich sei einfach ein äußerst diskreter Mensch.
»Hast du in Cartagena gefunden, wonach du gesucht hast, Txema?«, frage ich spöttisch, um ihn in Verlegenheit zu bringen, denn offiziell weiß ich ja nicht, wozu er in Sexshops geht.
»Ja sicher. Es gibt zwar keine so große Auswahl wie in Madrid, aber mir hat’s gereicht. Ich habe übrigens zwei Nachrichten für dich, Juan«, flüstert er mir zu. »Eine gute und eine weniger gute …«
»Hört sich an wie einer dieser Witze, die man sich in den Konferenzen meiner Firma erzählt.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob du es so witzig finden wirst.«
»Dann erst die gute Nachricht.«
»Wir haben die Ermittlungen ausgesetzt, bis die genaue Todesursache feststeht. Die Uniformierten werden den Campern also nicht länger auf die Nerven gehen.«
»Und die weniger gute?«
»Ich habe meinen Resturlaub genommen und werde ein paar Wochen hierbleiben, ganz privat. Ich hab dir ja schon gesagt, wie sehr es mir hier gefällt. Ich habe einen der Bungalows gemietet. Von dort hat man eine wirklich herrliche Aussicht über den ganzen Campingplatz.«
22
Die Siesta mit Yolanda ist für mich wie eine Festung, die alle Ängste außen vor lässt, sodass wir im Schutz der durch die dicken Vorhänge erzeugten Nacht wieder und wieder in das Meer baumwollener Laken eintauchen, bis sie zur Arbeit muss. Während sie in Shorts und Top schlüpft, hüpft sie rückwärts zur Tür und hinterlässt mir eine Spur von Küssen als Geschenk.
»Heute Nacht gibt’s noch mehr, wenn du willst …«
»Und ob ich will.«
»Bist du sicher? Du wirkst so besorgt … und irgendwie distanziert.«
»Bin ich etwa gerade auf Distanz gewesen?«
»Nein, natürlich nicht, du Dummkopf, du warst mir sehr nahe, ganz tief in mir drin.« Yolanda muss lachen, wird aber gleich darauf wieder ernst. »Aber etwas macht dir Sorgen, das spüre ich. Ist es wegen dieses Polizisten?«
»Bingo. Ich habe Angst, dass er dich zu oft ansieht und ich ihn deshalb eines Tages umbringen muss.«
»Blödmann!«, ruft sie da lachend und
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