Wir tun es für Geld
mir ja die neue Hifi-Anlage verpassen, und ich habe schon ja gesagt. Mist.«
»Wir küssen uns doch sowieso nie im Treppenhaus.«
Ines verzieht den Mund, schüttelt den Kopf und sieht mich an.
»Tja, und dann gäbe es da auch noch das Fräulein Bleiker.«
»Nun ja, wir müssen Vanessa aufklären, wer Ekkehart ist, und…«
»Bist du verrückt? Dieses Plappermaul? Tschuldigung.«
»Jetzt denk doch mal rational, Ini. Wenn Vanessa nicht Bescheid weiß, plaudert sie irgendwann zufällig mit diesem Stöckelein-Grummler im Hausflur und erzählt es ihm einfach so.«
Ines sieht wieder mich an, zögert und sagt dann sehr vorsichtig: »Es gibt da natürlich auch noch einen anderen Aspekt bei diesem Problem.«
»Ja, ich weiß, du bist der Meinung, dass Vanessa mich nie geliebt hat und auch nie lieben wird, und dass sie einfach nur Spaß daran hat, Männer an Marionettenfäden herumtanzen zu lassen, und dass ich die mit Abstand dienstälteste und beste Marionette in ihrem Puppenschrank bin, und dass es an der Zeit wäre, dass ich mir dessen bewusst werde, die Fäden abschneide und ihr einen kräftigen Tritt in ihren schönen Hintern gebe. So ungefähr?«
Ines guckt nachdenklich.
»Habe ich das damals wirklich so gesagt?«
»Genau so. Wort für Wort.«
»Das hast du dir also die ganzen Jahre über gemerkt. Du bist mir immer noch böse.«
»Nein.«
Am Anfang war ich es schon, ja. Aber bald nach unserem Streit damals wurde mir klar, dass Ines’ Sichtweise, nun ja, irgendwie auf der Hand liegt. Sie ist halt nur nicht richtig. Die Wahrheit ist, man muss Vanessa Zeit geben, um sich zu fangen. Dann gibt sich alles schon irgendwann. Und heute, das war doch schon mal ein Anfang.
»Gut, also, was auch immer zwischen euch läuft – Hauptsache nicht im Treppenhaus, Lukas.«
Was auch immer zwischen euch läuft. Ich weiß, Bernd hat es nicht böse gemeint. Trotzdem bin ich sauer. Dass der Ekkehart-Vanessa-Supergau heute Morgen schon fast passiert wäre, erzähle ich den beiden jetzt lieber nicht.
»Hier riechts wirklich komisch.«
»Also, Stöckelein wird noch ein-, zweimal herkommen, wegen der Hifi-Anlage. Was noch?«
»Seine Jazzplatten wollten wir zusammen hören.«
»Das macht ihr bei ihm.«
»Er hat keinen Plattenspieler.«
»Was? Ich dachte…«
»Er will nicht darüber reden.«
»Jetzt rieche ich es auch. Ihh. Was ist das?«
»Es riecht wie…«
Während wir nachdenken, sehen wir alle drei gleichzeitig eine kleine Rauchschwade aus einer Ritze zwischen den Fußbodendielen aufsteigen.
Bernd ist als Erster im Treppenhaus. Er stürmt runter zu Ekkeharts Tür und hämmert dagegen. Keine Antwort. Wir sind inzwischen nachgerückt. Bernd tritt so lange mit dem Hacken seiner Edel-Freizeitschuhe gegen die Tür, bis sie nachgibt. Sofort quillt uns stinkender Qualm entgegen. Wir weichen zurück, husten und kneifen die Augen zu. Ich höre Ines schreien.
»Tu was, Bernd! Der ist bestimmt da drin!«
»Zu gefährlich. Ich kenne die Wohnung nicht. Ich könnte die Orientierung verlieren. Wer war schon mal drin?«
Ich renne ein paar Stufen hinunter, hole tief Luft, stürme mit angehaltenem Atem wieder nach oben und tauche in die Rauchwand. In der Wohnung finde ich blind zur Küche. Dort öffne ich die Augen einen Spalt weit und sehe schemenhaft Ekkehart, der, wie erwartet, reglos vor dem geöffneten Backofen, der wie ein Höllenschlund qualmt, liegt. Ich packe ihn unter den Armen und schleife ihn zum Ausgang. Die Luft wird knapp. Ich atme gegen meinen Willen ein und muss sofort husten. Unvorstellbare Mengen Schleim schießen in meinen Mund und triefen heraus. Bernd hatte recht. Jemand, der jetzt nicht genau wüsste, wo die Tür ist, wäre verratzt… Verflixt! Wo ist die Tür? Ich stoße dauernd gegen die Wand, huste mir die Seele aus dem Leib und gehe in die Knie. Von links höre ich Ines und Bernd rufen. Wie man sich mit der Richtung verschätzen kann. Einen Schritt mache ich noch, dann packen mich zwei Hände und ziehen mich samt Ekkehart im Schlepptau das letzte Stück heraus.
Ich lasse mich auf den Boden sinken, huste meine Strophe zu Ende und versuche dabei meine Brille zu putzen. Ich sehe verschwommen, dass Vanessa, Frau Kohlmeyer und noch einige andere Nachbarn um uns herumstehen.
»Er atmet!«
»Die Feuerwehr ist gleich da.«
Feuerwehr ist gut… Aber wenn die jetzt gleich womöglich mit Wasser…
»Lukas! Bist du wahnsinnig! NICHT NOCH MAL REINGEHEN!«
»Aber die Jazzplatten…«
* * *
Ekkehart
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