Wir tun es für Geld
Zwischen den Geländerstäben unter dem lächelnden Gesicht erscheint kurz ein nach oben gereckter Daumen. Dann verschwinden Gesicht und Daumen wieder.
»War alles zu Ihrer Zufriedenheit?«
»Aber ja.«
»Wünschen Sie noch ein Dessert?«
»Danke nein. Können wir bitte bezahlen?«
»Die Rechnung wurde schon beglichen, meine Dame.«
Ines strahlt mich an, während sie aufsteht.
»Danke, Lukas, das war toll. Irgendwann lade ich dich auch mal ein. Sollten wir wirklich öfter machen. He, jetzt guck doch nicht so. Du bist ja ganz blass. Komm, lass dich mal drücken.«
»Ines, ich glaube, wir müssen uns bei jemand anders bedanken.«
* * *
Wir sitzen an Udos Bar und trinken unter seinen missbilligenden Blicken bereits den zweiten Absacker. Ines und ich knallen zwar etwas heraus, weil wir hoffnungslos overdressed sind, aber das Schöne am Blaubart ist, dass man immer kommen kann, wie man eben gerade herumläuft. Bernd steht in Jeansjacke und Basketballsneakern neben Ines und hat ihr die Hand um die Taille gelegt. Wer uns nicht kennt, würde vielleicht erwarten, dass der Typ im Anzug irgendwann aufspringt und den Typ in der Jeansjacke anbrüllt, er solle gefälligst die Hände von seiner Frau nehmen. Aber obwohl ich genau das am liebsten tun würde, es wird nicht passieren.
»Und du bist ganz sicher, dass es Ekkehart war, Lukas?«
»Ja, ich habe ihn gesehen. Er hat uns von der Galerie aus beobachtet, und als ich ihn erwischt habe, hat er gegrinst und den Daumen nach oben gezeigt. Er hat uns dahin gelotst, und er hat auch das Essen bezahlt. Ganz sicher.«
»Und Viktor schwört auf das Grab seines Vaters, des ermordeten Königs von Dänemark, dass er nichts damit zu tun hat. Wir haben ihn schon zwei Mal angerufen.«
»Aber warum macht der Typ das? Sicher, er will sich bei euch für das Asyl bedanken, aber da muss er doch kein Versteckspiel draus machen.«
»Vielleicht ist er schüchtern?«
»Ich fürchte, ihr werdet noch viel Spaß mit eurem Steuerinspektor haben.«
»Nun, ehrlich gesagt, ich fürchte, es sieht noch viel schlimmer aus.«
»Wieso, Lukas?«
Ich sehe Ines an.
»Ich glaube, er will unsere Ehe retten.«
Biotherm vs. Nivea
»Autsch!«
»Tschuldigung.«
»Das ist jetzt schon das dritte Mal!«
»Bin halt Anfänger.«
»Mann! Einfach auf drei einen Vorwärtsschritt mit rechts. Ist doch ganz einfach.«
Ich werde nie verstehen, warum Ines unbedingt diesen Tangokurs mit mir machen wollte. Erstens wussten wir beide ganz genau, dass der Gutschein für das Estudio Gustavo, den wir vor ein paar Tagen aus unserem Briefkasten gefischt haben, keinesfalls der Hauptgewinn einer Reisebüro-Jubiläumslotterie war, an der wir nie teilgenommen hatten, sondern vielmehr Herrn Stöckelein-Grummlers nächster Eherettungs-Großangriff. Zweitens hatte ich Ines seit dem Abend im Le Canard kaum noch gesehen. Bernd war nämlich ausnahmsweise mal eine gute Woche am Stück zu Hause, und die beiden nutzten die Gelegenheit, um sich als echtes Vollzeitpaar in Bernds Wohnung zu versuchen. Und wenn Ines bei uns zu Hause war, war fast immer auch Ekkehart da. Sein Wunderplattenspieler ist immer noch nicht geliefert worden, und damit der Rest seines Hifi-Altars nicht einrostet, hat er ihn kurzerhand zusammen mit Ines in unser Wohnzimmer geschleppt. Samt Monsterboxen. Dort stöpseln die beiden jetzt in jeder freien Minute wild zwischen Ines’ und seinen Kisten hin und her und versuchen zu erlauschen, mit welcher Kabelfarbe die Anatol-Kolumbanovich-Einschlafmusik am besten klingt.
Natürlich ist Ines bei diesen Ekkehart-Besuchen immer sehr kuschelig zu mir, damit unsere Pseudo-Ehe nicht auffliegt. So war ihre Bernd-Woche besonders schlimm für mich, weil ich den üblen Kontrast zwischen Ponyhof und echtem Leben fast täglich von neuem kennenlernen durfte, wenn Ines abends wieder, unbemerkt von Ekkehart, zu ihrem Lover zwei Straßen weiter verschwand.
Draußen knattert ein Helikopter auf Augenhöhe an uns vorbei, und wir halten uns die Ohren zu. Ja, unser Tangokurs hat leider auch noch ein besonderes Konzept: Jeder Termin an einem anderen Ort. Und natürlich keine normalen Orte, nein, alles verwegen, romantisch und noch nie da gewesen. So richtig für Leute, die dringend was brauchen, was sie ihren Freunden erzählen können. Den Auftakt zelebrieren wir heute im 21. Stockwerk eines Büroturm-Rohbaus am Rand der Innenstadt. Der Rundumblick über die nächtliche Skyline ist gewaltig, trotzdem, es ist kalt und zugig,
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