Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir tun es für Geld

Wir tun es für Geld

Titel: Wir tun es für Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
Vom Netzwerk:
andere Erklärung gibt es nicht. Nur Frau Kohlmeyers Bauch oder eine dicke Schaumgummiwand hätten diese Todesscheibe zum Stillstand bringen können, und eine Schaumgummiwand kann nicht »Uuumpf!« machen.
    »Schnell, einen Arzt!«
    Die Arme japst nach Luft. Ekkehart steht kreidebleich, aber auch ein wenig erleichtert daneben. Seine Blicke wandern zwischen Frau Kohlmeyer und dem Edelhifi-Schwergewicht hin und her, und irgendwie hängt über den beiden unausgesprochen der Satz »Ich glaube, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft« in der Luft.
     
    * * *
     
    »HUATSCHA!«
    »Gesundheit, Ines.«
    Ekkehart sitzt entspannt und glücklich in unserem Sessel und spielt mit seinen dunkelgrün besockten Füßen im Sand. Ines kauert neben ihm in der Sofaecke. Ich sehe sie immer wieder an. Was ist mit ihr? Ich erkenne keine Zeichen von Schmerz, Wut und all den anderen Dingen, die das Ertappen des Geliebten beim Fremdsex auslösen, und die ich so gut kenne. Man müsste das Getöse, unter dem ihre Welt gerade einstürzt, schon fast hören können. Reißt sie sich zusammen, weil Ekkehart nichts mitbekommen darf, oder lässt es sie tatsächlich kalt?
    »Sagenhaft, diese klangliche Raumabbildung! Einfach sa-gen-haft!«
    Ekkehart ist natürlich in einem anderen Film. Der Gute hatte sich, nachdem der Notarzt uns versicherte, dass das Hifi-Geschoss an Frau Kohlmeyers Bauch tatsächlich nicht mehr Schaden angerichtet hat als ein mittelschwerer Magenschwinger, daran erinnert, dass er den Transrotor Tourbillon zuerst in unserer Wohnung testen wollte, um den Klang unter gleichen Bedingungen mit Ines’ Plattenspieler zu vergleichen. Ich hatte kurz überlegt, ob ich es ihm ausreden sollte, aber an so einem Tag muss man ihn auch mal lassen. Mit Hilfe des von mir herbeitelefonierten Fitnessstudio-Toni und insgesamt drei Litern Schweiß haben wir es dann auch geschafft, alle Schwergewichte aus dem Karton unfallfrei durch das ramponierte Treppenhaus in unsere Wohnung zu bringen.
    Dort trafen wir Ines, die schon vorgegangen war. Sie hatte den nackten Bernd, der zwischen Tür und kaputter Angel das Gespräch mit ihr suchte, einfach stehenlassen. Stattdessen nahm sie Tigerchen mit.
    Als wir mit den ersten Transrotor-Teilen im Wohnzimmer auftauchten, zog sie sich samt Katze in ihr Zimmer zurück. Es dauerte aber keine fünf Minuten, bis sie wieder zu uns kam, weil sie dann doch dabei sein wollte, wenn das Wunderwerk aufgebaut und eingestellt würde. Sie war das in den letzten Wochen mit Ekkehart so oft und in allen Details durchgegangen, und mich haben diese Gespräche ganz entfernt an Luftgitarrensolos erinnert.
    In echt hat das Aufbauen und Einstellen drei Stunden gedauert. Das war sogar ein bisschen weniger, als ich befürchtet hatte, aber trotzdem genug Zeit für Ines, um einzusehen, dass Tigerchen wieder in Ekkeharts Wohnung runtermuss, wenn der Transrotor nicht auf ihrem Rotz davonschwimmen soll. Allein die Haare, die das Tierchen in der Zwischenzeit hier verloren hat, bereiten ihr immer noch genug Probleme.
    Ein merkwürdiger Frieden ist das nun. Die alleszerstörende rasende Scheibe von heute Morgen dreht sich auf dem mächtigen, für sie konstruierten Unterbau und strahlt mit ihrer gleichförmigen, verlässlichen Bewegung große Ruhe aus. Als Ganzes wirkt der aufgebaute Transrotor Tourbillon wie eine trutzige Bohrinsel mit mächtigem Tonarm-Kran, der von irgendeinem verrückten Milliardär zum Edelwohnsitz umgebaut wurde. Chrom und Gold funkeln um die Wette, und man wagt kaum, näher als drei Schritte an die Burg heranzutreten.
    Lustigerweise bin ich im Moment der Einzige, der verstohlen beobachtet, wie die dicke Gletscherscheibe Runde um Runde ihre Kreise dreht. Ines und Ekkehart haben die Augen geschlossen und recken ihre Köpfe in die Luft, als würden ihre Ohren dadurch noch besser hören.
    »Kaum zu glauben, dass der Plattenteller nicht einmal einen Kratzer abgekriegt hat, was? Wenn man bedenkt, wie das Treppenhaus jetzt aussieht, dann…«
    »Pssst!«
    Ach ja. Anatol Kolumbanovich zupft uns zum tausendsten Mal seine heile Welt um die Ohren. Es klingt wie immer, aber ich bin wohl der Einzige im Raum, der das so empfindet.
    »So geschmeidige Höhen habe ich noch nie gehört.«
    »Ja, geschmeidig und gleichzeitig klar gestaffelt, dass das überhaupt möglich ist?«
    »Und die mittleren Mitten, was für ein Klangkörper!«
    »Aber, sei mir nicht böse, Ekkehart, hörst du da nicht auch eine klitzekleine

Weitere Kostenlose Bücher