Wir tun es für Geld
hast du schon jemanden?«
»Fitnessstudio-Toni braucht eine günstigere Wohnung.«
»Pass bloß auf, in einem halben Jahr gibt der seinen Vital-Kompakt-Kurs genau hier, wo wir jetzt sitzen.«
»Dann müssen Ekkehart und ich wenigstens nicht mehr hinfahren.«
»Ach ja, der Ekkehart. Wie sagen wir es ihm jetzt bloß, dass wir uns trennen?«
»Frag mich nicht. Mir wird ganz schlecht, wenn ich daran denke.«
»Der arme kleine Kerl.«
»Aber du lässt ihm wenigstens deinen Plattenspieler, bis sein Transorbital Turboklon geliefert wird?«
»Oh, das wird hart.«
»Komm, das sind wir ihm schuldig.«
»Schuldig? Sind wir ihm was schuldig?«
»Na ja, irgendwie…«
»Hihi, stimmt, irgendwie…«
»… schon, was?«
»Okay, ich geh zu diesem Hifi-Studio Ohr und hau so lange auf den Tisch, bis sie ihm ein gutes Leihgerät geben.«
»Aber irgendwas mit einem ganz tollen Namen. Mindestens ein Isoton Tabularasa.«
»Du süßer, kleiner, alberner Ignorant.«
Uuumpf!
Ich mache vorsichtig die Augen auf. Durch den Vorhang scheint etwas Morgenlicht, genug um mich grob zu orientieren. Das hier ist mein Zimmer, ich liege in meinem Bett, und ich habe gestern Abend gut gegessen, alles klar… Es ist Samstag, die Straßen sind halbwegs ruhig und Ines schläft vermutlich auch noch… Unsere nichtgemeinsame Zukunft ist geregelt, ich bin immer noch traurig, und ich muss ab heute das Projekt Neubeginn in Angriff nehmen… Ich werde nicht ins Kloster gehen, ich werde von keiner Dachterrasse springen, und ich muss mir überlegen, ob das mit der Fitnessstudio-Toni-und-ich-WG eine gute Idee ist… Es ist kurz nach acht, ich bin saumüde, und warum zur Hölle bin ich überhaupt aufgewacht?
Ach so. Jemand klingelt Sturm. Immer wieder schrillt unsere Bimmel. Mal kurz, mal lang, mal mittel. Überhaupt kein Gefühl für Rhythmus und Takt. Extreme Ausprägung des Free Jazz. Oder, wenn man jetzt mal die Ebene der künstlerischen Interpretation verlässt… es gibt vermutlich irgendein… Riesenproblem. Ächz.
Ines und ich kommen genau gleichzeitig barfuß an der Tür an und werfen uns einen kurzen Blick zu, in dem sich Ahnungs-, Rat- und Hilflosigkeit um die Wette balgen. Ines trägt den Schlafanzug, den ich ihr gekauft habe…
Brrrrrring! Brring, Brring! Brrrrrrrrrrrrrrrring!
Na gut. Ich öffne die Tür, einfach nur, damit es endlich aufhört.
»Oh, Ekkehart, was…?«
»Er ist da!«
»Hm, wer denn?«
»Na, ER! Der Transrotor Tourbillon!«
»Was? Na, herzlichen Glückwunsch. Dann kommen wir nachher gleich mal gucken… Ach so, du willst jetzt deine Hifi-Sachen wieder, klar.«
»Ja, also, ehrlich gesagt, vor allem brauche ich Hilfe beim Plattenspieler-Tragen. Die Lieferanten haben sich nämlich geweigert, ihn zu mir hochzubringen. Zu schwer.«
»Weicheier. Okay, ich komme. Ich zieh mir nur schnell was an.«
»Danke, Lukas!«
Wann habe ich zuletzt einen Menschen so strahlen sehen? Andi Brehme nach dem verwandelten Elfmeter im 90er WM-Finale ist ein Trauerkloß gegen ihn. Ich gehe zurück in mein Zimmer und schlüpfe in meine Sachen. Die Freude steckt an. Der Ärger über das Aufwecken ist wie weggeblasen. Als ich die Wohnung verlassen will, treffe ich schon wieder Ines an der Tür, diesmal angezogen.
»Warum schläfst du nicht einfach weiter? Wir schaffen das schon.«
»Glaubst du etwa, ich kann schlafen, wenn ich weiß, dass unter mir ein Transrotor Tourbillon ausgepackt wird?«
»Verstehe.«
Als wir unten im Eingangsfoyer ankommen, finden wir Ekkehart neben einem Paket von mittlerer Umzugskartongröße stehen. Sein Gesicht sieht inzwischen aus, als hätte man mehrere Gehirnwäschemethoden gleichzeitig an ihm ausprobiert.
»Okay, wie viele Plattenspieler sind da drin?«
»Hihi, nur einer.«
»Bist du sicher?«
»Ja!«
Schon wieder ein Wort, das von ganz tief innen kommt. Anscheinend ist dies die Woche, in der wir alle zu uns selbst finden.
»Na, dann wollen wir mal.«
»Bereit?«
»Hrrgnnn… Hrrgnnnnn… HRRGNNNNNNNNNN!… Nee, puh, das geht nicht.«
Die Kiste hat sich keinen Zentimeter bewegt. Die könnten wir nicht mal zu viert tragen. Ekkehart und Ines schauen mich enttäuscht an. Als ob ich etwas dafür könnte.
»Ach, mir fällt gerade ein, wir könnten auch die Einzelteile hochtragen. Der Transrotor Tourbillon ist ja für den Transport zerlegt worden.«
»Gut, dass dir das jetzt erst einfällt. Mein Rücken ist immer sehr dankbar für Grenzerfahrungen.«
»Macht doch endlich die Kiste auf! Ich bin
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