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Wir waren nie Freunde

Wir waren nie Freunde

Titel: Wir waren nie Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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jetzt!
    Ich habe keine Angst mehr. Wovor sollte ich auch Angst haben? Auerhähne sind nicht gefährlich. Sie leben nur von Tannennadeln. Mit Hilfe der Geräusche versuche ich mir ein eigenes Bild von den Kämpfen zu machen. Ich versuche herauszufinden, wie viele es sein können. Zehn, denke ich. Ungefähr zehn.
    Sekunden später höre ich, wie zwei Hähne direkt neben dem Windschutz aneinandergeraten. Ich höre, wie die Federn gegeneinander schlagen. Ein paar Sekunden lang bleibt es still. Dann folgt ein geräuschvolles Flattern. Das Dach erzittert. Ist das ein Auerhahn, der auf dem Windschutz gelandet ist? Ich nehme es an. Ich umklammere Toves Hand, kauere mich hin. Was wird jetzt passieren? Was machen wir, wenn die Auerhähne durch die Tannenzweige brechen? Da höre ich, wie es in den Nadeln neben mir raschelt. Zuerst wird mir ganz kalt, weil ich befürchte, ein anderer Auerhahn könnte sich unter den Windschutz verirrt haben. Ich meine hören zu können, wie es nur wenige Zentimeter von meinem Kopf atmet. Aber dann höre ich Pia-Marias Stimme.
    »Scheiße, was ist das denn?«
    Nach Pia-Marias Worten, nach ihrer dummen Plapperfrage, wird es totenstill. Ich meine bis drei zählen zu können. Dann erhebt sich der ganze Wald. Tannennadeln, Steinchen und Blaubeerzweige steigen in die Höhe und fliegen davon. Der Wald lärmt wie eine Baustelle auf der Kungsgatan. Mehrere Vögel fliegen direkt über den Windschutz und steigen dann mit tosenden Flügeln dem blaugrauen Horizont entgegen, der durch die Baumstämme zu erahnen ist.
    Pia-Maria schreit vor Schreck laut auf.
    Schnell ist alles vorbei. Nach wenigen Sekunden ist der Wald leer. Die Stille fällt wie Schnee auf den Boden. Wir sitzen da und starren geradewegs in die Luft, den fortgeflogenen Vögeln hinterher oder auf gar nichts. »Oh Scheiße, was habe ich für eine Angst gehabt!«, stöhnt Pia-Maria.
    Sie plappert eine ganze Weile weiter, als wäre die Stille ein Anrufbeantworter, der vollgesprochen werden muss. Schließlich sagt sie:
    »Oh Mann, und jetzt schneit es auch noch!«
    Sie hat recht. Kleine runde Flocken fallen dicht und schnell zwischen den Bäumen herab, als hätte jemand plötzlich die Dusche aufgedreht. Es wird hell. Ich glaube, es ist Karfreitag. Und der Schnee breitet sich wie eine frisch gebügelte Decke über dem Moos aus.
    Ich denke, dass das ja wieder einmal typisch für dich ist, Pia-Maria, einfach den Mund aufzumachen, ohne vorher nachzudenken. Es scheint, als hätte deine Zunge überhaupt keine Verbindung zum Gehirn. Als lebte sie ihr eigenes Plapperleben.
    »Das war ja wohl nicht nötig«, sage ich.
    Pia-Maria dreht sich abrupt zu mir um.
    »Was meinst du denn bitte schön damit?«
    »Du hast die Auerhähne erschreckt.«
    »Kümmre dich um deine Sachen!«, faucht sie.
    Ihre Augen sehen mich verächtlich an. Ich starre zurück. Das mit den Auerhähnen war eigentlich nur eine Baga- telle. Aber vielleicht war es auch der Anfang von etwas. Es war vielleicht der Anfang vom Ende.
    Ich esse eine Scheibe Brot mit Erdnussbutter und trinke Kakao, als plötzlich zwei dunkle Gestalten aus der weißen Schneegardine vor dem Windschutz treten.
    »Philip!«, rufen wir wie aus einem Munde.
    »Hallo«, sagt er.
    Die beiden sind auf den Schultern und der Brust ganz weiß. Philips Helm ist von dem körnigen Schnee vollkommen bedeckt. Manny sieht müde aus. Er klopft sich den Schnee ab, lässt sich in den Windschutz fallen und bittet um ein Brot. Tove gibt ihm eins.
    »Und wir dachten schon, ihr hättet euch verlaufen«, sagt Pia-Maria, und alle können ihrer Stimme anhören, wie erleichtert sie ist.
    »Wo seid ihr denn gewesen?«, frage ich.
    »Wir waren gezwungen, dort zu bleiben. Die Auerhähne hatten schon mit der Balz angefangen, bevor wir wieder weggekommen waren. Wenn wir aufgebrochen wären, hätten wir ihr Spiel für mehrere Tage gestört.« »Sie waren auch hier«, sagt Tove. »Direkt hinter dem Windschutz. Das war vielleicht ein Theater.«
    »Der ganze blöde Wald ist voll mit ihnen«, erklärt Manny kauend. »Die hocken überall. Man kann sich kaum noch rühren.«
    »Weiß jemand, wie spät es ist?«, will Philip wissen. Alle schütteln den Kopf.
    »Vielleicht so gegen neun«, schätze ich.
    »Jemand muss los und Criz abholen«, sagt Philip. »Glaubst du wirklich, dass sie kommt? Bei dem Wetter?« »Sie hat es gesagt. Spätestens um zehn will sie am Wegende sein.«
    »Aber bei Criz weiß man ja nie so genau«, sage ich. »Findet jemand von euch den

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