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Wir waren nie Freunde

Wir waren nie Freunde

Titel: Wir waren nie Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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es im Hals und nach oben zuckt, falle nach vorn, bleibe liegen, bewege mich nicht.
    Stelle mich tot.

TEIL 2
    Die Welt wird geträumt von einem schlafenden Gott und der Schauder der Dämmerung durchzieht seine Seele. Erinnerungen an Dinge, die gestern geschahen, bevor die Welt geschaffen ward, tanzen herum, blitzen auf.
    K. Boye

    Als ich aufwache, sind die Schmerzen weg, ich liege ganz still da. Es ist hell und schön um mich herum. Ich sehe keine Farben, nur Licht. Keine Spiegelungen, keine Reflexe, kein Glitzern. Nur reines Licht, das wahre Licht. Ich erinnere mich daran, wie es vorher war. Wie kalt alles war. Und an alle Farben. Die grünen, die blauen, all die dunklen Nuancen, und die roten. Am meisten erinnere ich mich an die roten. Und dann die Wärme, die kam, als Befreier. Jetzt ist es besser. Jetzt beginnt eine andere Zeit. Ich fühle Liebe und Wärme und begreife, dass etwas Großes geschehen ist. Dass es so lange dauern musste. Dass es so lange dauern musste, bevor ich begriffen habe, dass die Farben falsch waren. Bevor ich begriffen habe, dass das Licht der Liebe die Antwort war.
    Ich sinke, sinke immer tiefer, versinke. Zu den hellen Gestalten, zu denen, die mich kennen, die meine Freunde sind. Ja, jetzt erkenne ich sie wieder. Meine einzigen Freunde. Jetzt kommen sie auf mich zu. Ich begrüße sie. »Hallo Philip«, sage ich. »Hallo Tove, my lovel«
    Als ich aufschaue, sind sie verschwunden. Ich bleibe liegen und warte, dass sie zurückkommen. Ich will nicht so allein sein, auch nicht in diesem neuen Land, in dem Land der Liebe und der Wärme. Ich rufe sie. Warte lange auf eine Antwort, kann aber nichts hören. Doch, die Zikaden natürlich, die zirpen. Das machen sie fast immer in dieser trockenen Wüstenlandschaft. Aber darauf achte ich nicht. »Philip!«, rufe ich. »Tove!«
    Gerade als ich aufgeben will, sehe ich, dass sie zurückkommen. »Wo seid ihr denn bloß gewesen«, frage ich. »Hier liegt man ganz allein herum und wartet.« Aber da lachen sie nur. Und da höre ich, dass es nicht Philip und Tove sind, sondern Jim und Kristin. Ich kann nicht begreifen, wie ich sie verwechseln konnte.
    »Hallo«, sage ich. »Lange nicht gesehen.« Jim und Kristin nicken. Sie schauen ernst drein. Ich schaue verstohlen auf ihre Hände. Doch, ja, sie halten sich bei der Hand. Sie tragen helle Kleidung. »Wir haben geheiratet«, sagt Kristin. »Wir wollen es noch einmal versuchen, wir geben nicht auf.« Ich nicke. »Ja«, sage ich. »Jetzt wird alles viel einfacher. Jetzt, wo die Liebe regiert.« Jim kommt auf mich zu. Er nimmt meine Hand. Dann schweben wir gemeinsam nach oben, und mir wird klar, dass er mir zeigen will, was für ein Gefühl das ist zu fliegen. Ich versuche die Landschaft unter mir auszumachen. Aber da ist nur Wüste. Nur Sand. »Siehst du die Stadt da hinten?«, fragt Jim. Ich schüttle den Kopf. Ich kann überhaupt nichts sehen. Nur Sand. »Früher ist sie dem Erdboden gleichgemacht worden«, fährt Jim fort. »Jetzt leben dort wieder Menschen.« »Ich sehe keine Stadt«, rufe ich. »Es herrscht Frieden auf Erden«, sagt Jim. »Endlich«, sage ich. Aber ich sehe nichts. Nur Sand.
    Ich sehe ein Zeichen. Zuerst glaube ich, es handle sich um einen Stern. So einen großen, hell leuchtenden Stern. Ich erinnere mich daran, dass mit so einem alles anfing, mit einem, der über der Wüste hing, der den Weg zeigte. Zu ihm, der alle Antworten hat.
    Dann entdecke ich, dass das Zeichen nur aussieht wie ein Stern. Das ist etwas anderes, das ist irgendetwas Größeres als ein Stern. Ich stelle fest, dass Menschen sich darunter versammeln. Sie zeigen darauf. Immer mehr Menschen schließen sich der Gruppe an. Ich versuche Philip irgendwo zu entdecken. Ich weiß, dass er es ist, auf den sie warten. Aber da er nicht kommt, beginnen die Menschen loszuwandern. Sie haben Feuerzeuge in den Händen und bewegen sich auf das Zeichen hin. »Das ist gut«, denke ich. »Wenn sie ihm folgen, dann werden sie ankommen.« Er wartet dort. »Dieses Mal wird es besser ausgehen, denke ich. Dieses Mal wird es klappen.«
    Wo verläuft die Grenze, wo überschreitet man sie? Habe ich sie schon überschritten? Gibt es überhaupt Grenzen? »Nein, ich denke nicht. Nicht mehr.« Jedenfalls habe ich nicht das Gefühl. Ich habe keinen Körper, mit dem ich fühlen könnte. Mein Körper ist verschwunden und hat meine Seele verlassen, hat mich verlassen, einsam auf einem Berg in der Wüste.
    Ich bleibe lange Zeit liegen und versuche mich zu

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