Wir waren unsterblich (German Edition)
entzünden. Genau wie ich hatte er gespürt, wie es sich hier unten anfühlte.
Lichtlos!
Ich zeigte ihnen die Botschaft. Markus entzündete ein zweites Streichholz und reichte es Leo. Sie lasen schweigend, dann wiederholten beide leise den Namen des Unterzeichners.
Oben erwartete uns ein sichtlich erleichterter Töffel. „Du hast was versäumt.“ Markus sprach sehr laut, im Keller hatte er nur geflüstert.
„Ich gehe nicht in den Keller“, stellte Töffel fest. Es hatte etwas Endgültiges, fast Energisches, wenn da nicht ein mühsam unterdrücktes Schluchzen gewesen wäre.
Leo schaute auf Töffels Uhr. Die roten Ziffern glühten in der Dunkelheit. „Nach neun! Das gibt Ärger.“
Ich dachte an Leos Mutter. Groß, schlank, das Haar zu einem strengen Knoten gebunden. Sie trug stets eine weiße Schürze. Sie erinnerte an die Mütter aus den amerikanischen Vorabendserien. An die Mutter aus Lassie , die den cleveren Collie immer darum bat, auf ihren Sohn Timmy aufzupassen. Wenn Hund und Junge auf gemeinsame Entdeckungstour gingen. Oder an Ma Walton. Streng, aber gerecht führte sie das Regiment in ihrem vielköpfigen Haushalt. Leos Mutter war nur streng. Sie lächelte nie. Wenn wir vor der Tür standen, um ihren Sohn abzuholen, musterte sie uns mit unverhohlenem Misstrauen. So, als wären wir darauf aus, Leo zu verderben.
Markus erzählte Töffel auf dem Heimweg von der seltsamen Botschaft. Töffel sagte nichts dazu.
Wenige Minuten später entdeckten wir Hilko. Er hockte im Gras neben der Straße, die Äcker und Felder von der Gartenvorstadt trennte. Wenn wir endlich unsere Mofas besaßen, wollten wir ihr unbedingt folgen. Sie führte zur Ruhr. Schon oft hatten wir uns vorgestellt, wie es sein musste, einfach dort hinfahren zu können, ins Wasser zu springen und am Ufer auf den Sonnenuntergang zu warten.
„Tut mir Leid, Jungs“, ächzte Hilko. „Ich habe mir beim Sprung vom Dach den Fuß verletzt.“
„Wir dachten schon, du wärst abgehauen“, meinte Markus. Die Scheinwerfer eines Autos beleuchteten kurz Hilkos Gesicht. Er schien starke Schmerzen zu haben.
„Du hast dich einfach nicht umgesehen“, erwiderte er und fügte eindringlich hinzu: „Ich würde niemals abhauen.“
Gemeinsam brachten wir Hilko nach Hause. Markus und ich stützten ihn. Sein jüngerer Bruder öffnete die Tür. Hilko wollte gerade unbemerkt in sein Zimmer humpeln, da schaute der Vater in den Flur. Er rief nach seiner Frau. Die stürmte heran und gemeinsam bombardierten sie uns mit Fragen. Irgendwann konnten wir uns aus dem Staub machen.
Es war spät geworden. Mittlerweile würden wir alle Ärger bekommen. Leo verabschiedete sich und hetzte voraus.
Töffel und ich hatten einen gemeinsamen Nachhauseweg. Töffels Tante wohnte in einem der Hochhäuser. Dritter Stock, mit einem weiß gestrichenen Balkon, der Platz für einen Campingtisch und zwei Stühle bot. Die vielen beleuchteten Fenster verliehen dem klobigen Bau jetzt fast etwas Gemütlichkeit. Und Sicherheit. Eine Burg inmitten der Dunkelheit.
Dass sie in Wirklichkeit Töffels ganz eigene Hölle darstellte, erfuhren wir am nächsten Tag.
Hilko hatte sich bei dem Sprung das Fußgelenk verstaucht. Nach der Schule und nachdem jene zwei Stunden vergangen waren, von denen unsere Eltern glaubten, dass wir sie zum Lernen nutzten, trafen wir uns in Hilkos Zimmer.
„Wie lange dauert so was?“, fragte Leo. Hilko zuckte ratlos mit den Schultern. „Kommt drauf an. Ein paar Tage nehme ich an.“
Aus den Plastiklautsprechern seiner Kompaktanlage drang das endlose Schlagzeugsolo von In-A-Gadda-Da-Vida . Hilkos Zigarettenstummel war auf weniger als zwei Zentimeter geschrumpft. Er bezeichnete das als Sparsamkeit, jeder andere hätte sich Brandblasen auf den Lippen geholt.
Am gestrigen Abend war keine Zeit mehr gewesen, Hilko von der Botschaft im Kellerlabyrinth zu erzählen. Leo hatte gerade begonnen, als ihm Markus über den Mund fuhr. „Ritsch kann so was am besten.“ Leo schnaufte kurz durch die Nase und tat dann so, als würde er sich für ein Plattencover interessieren.
Vor zwei Wochen war meine erste Geschichte in der Schülerzeitung unseres Gymnasiums veröffentlicht worden. Mein Deutschlehrer hatte, ohne mich zu fragen, den Schluss umgeschrieben. Nun erschlug die Ehefrau ihren brutalen Mann nicht mehr mit einem Marmoraschenbecher. Stattdessen diskutierten sie – ganze drei Sätze lang – und versöhnten sich. Auf meine schüchterne Nachfrage hatte der Deutschlehrer
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