Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir waren unsterblich (German Edition)

Wir waren unsterblich (German Edition)

Titel: Wir waren unsterblich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimon Weber
Vom Netzwerk:
– tapp, tapp, tapp – kroch sie hinter dem Schrank hervor. Ich drehte mich zur Seite und wir sahen uns an. Wir befanden uns auf gleicher Höhe. Ich quiekend und sie haarig und schwarz, mit einem Leib von der Größe eines Fünfmarkstücks und sehr langen Beinen.
    Garantiert hausten hier im Keller ganze Horden noch größerer Biester. Ich hielt die Hände dicht an meinem Körper und vermied es, die Wände zu berühren.
    Draußen war es still. Die Klinke gab unter meinem zögernden Druck nach.
    Doch die Tür öffnete sich nicht!
    Der Schock durchfuhr mich wie ein elektrischer Schlag. Ein jämmerliches Ächzen entrang sich meiner Kehle, ohne dass ich es verhindern konnte.
    Ich stemmte mich gegen das Holz. Zuerst noch zaghaft, um nicht Bauer und Knecht herbeizulocken, dann mit aller Kraft. Ich drückte so fest, dass sich von den gespreizten Händen ein stechender Schmerz bis zu den Schultern ausbreitete. Dann sprang ich die Tür an, schlug auf sie ein, rüttelte wild an der Klinke.
    Hechelnd setzte ich mich auf die oberste Stufe.
    Raus!, Raus!, Brüll um Hilfe!, schrie mir die eine Hälfte meines Verstands zu. Keine Panik! Deine Freunde werden nach dir suchen, versuchte die andere Hälfte zu beschwichtigen.
    Ich sah in die fette, tintige Schwärze am Fuß der Treppe und je länger ich stierte, desto mehr Veränderung, Bewegung und Rascheln schien dort zu entstehen.
    Und tapp, tapp, tapp!
    Da war ich mir ganz sicher.
    Nach einer Weile schrie ich.
    Niemand kam ...

    Ich stieg wieder hinab. Stufe für Stufe. Schritt für Schritt. Der Lichtschein unter der Tür verblasste. Ich musste hier raus, ehe es draußen völlig dunkel war. Ich streckte die Arme aus, um nicht plötzlich gegen ein Hindernis zu prallen, atmete stoßweise und hektisch und bekam doch nicht genug Luft in meine Lungen. Ich würde hier unten ersticken. Etwas huschte über meinen rechten Fuß. Ich redete mir ein, es sei Einbildung oder ich hätte vielleicht ein loses Kabel, ein herumliegendes Seil berührt.
    Das Dunkel erschien allmählich nicht mehr so schwarz, wurde nebelhaft, fast greifbar, dann grau. Von irgendwoher kam Licht. Es drang müde durch die Ritzen eines engmaschigen Gitters. Ich stieß es beiseite und betrat einen kleinen Raum. Ich erschrak und wich auf den Flur zurück. Das zerfetzte Skelett mit den fahl schimmernden Knochen war noch immer da. Das letzte Tageslicht fiel durch ein schmutziges Fenster. Vergittert und ohnehin viel zu klein für mich. Ich machte einen großen Bogen um die Knochen, stellte mich auf die Zehenspitzen und blickte nach draußen. Dort lag der Acker. In der Dämmerung nun nicht mehr braun, sondern blauschwarz. Verzweifelt sah ich mich um. Vielleicht fand ich ein Werkzeug, mit dem ich die Kellertür aufbrechen konnte.
    Der Raum mit der niedrigen Decke, die nur wenige Zentimeter über meinem Kopf begann, war bis auf das Skelett leer.
    Ich spähte in den Flur. Dort entstand vor dem Eingang eine winzige Insel trüben Lichts. Überall sonst herrschte Dunkel. Aber möglicherweise besaßen alle Kellerräume auf dieser Seite des Flurs ein Fenster. Meine Finger glitten über die feuchten Wände, ertasteten das Holz einer Tür und dann deren Klinke. Ein weiterer Raum. Mit Regalen, in denen leere Einmachgläser standen und einem Fenster. Größer als das nebenan, aber ebenfalls vergittert. So kam ich nicht weiter.
    Dennoch fühlte ich mich jetzt etwas ruhiger. Seit scheinbar unendlich langer Zeit hielt ich mich in der Tabuzone. Dem Versteck aller in unserer Fantasie entstandenen Ungeheuer auf. Und mir war nichts geschehen. Hilko, Markus, Leo und Töffel würden über meinen Mut staunen.
    Durch das größere Fenster fiel noch genügend Licht, um einen Teil des Ganges zu erkennen. Sogar die gegenüberliegende Wand.
    Dort stand etwas geschrieben. In halbmetergroßen Buchstaben. In einem Rot, dass bei Helligkeit ganz sicher leuchtete.
    Ich las und mein so mühsam entstandener Mut flog davon wie ein erschrockener Vogel, der in letzter Sekunde die heranschleichende Katze entdeckte.

    ICH SEHE DICH!
    ICH KRIEGE DICH!
    JETZT?
    MORGEN??
    VOR DEINER ZEIT!!!

    DER LICHTLOSE

    Es war der Name, der mich entsetzte. Rechts unter dem seltsamen Text, fett und unterstrichen. Hätte dort der Dunkle , der schwarze Mann oder der Herr der Finsternis gestanden, ich wäre niemals so erschrocken. Nie zuvor hatten wir einen dunklen Raum oder die Nacht als lichtlos bezeichnet. Lichtlos war viel mehr als dunkel. Es klang endgültig.
    Wer immer jene Wörter

Weitere Kostenlose Bücher