Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir waren unsterblich (German Edition)

Wir waren unsterblich (German Edition)

Titel: Wir waren unsterblich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimon Weber
Vom Netzwerk:
braungelb verfärbten. Hilko machte einen tiefen Zug, stieß den Rauch durch die Nasenlöcher aus und wirkte in diesem Moment für mich nicht zwei, sondern mindestens fünf Jahre älter. Ein gigantischer Altersunterschied.
    „Leo hat Recht. Aber Erwachsene dürfen Pornos nicht Minderjährigen zeigen.“
    „Macht der Typ doch auch nicht“, warf Leo ein.
    „Deshalb muss ihn einer von uns in den Keller begleiten. Wir anderen machen dann das Foto.“
    Hilko schien nicht nur plötzlich viel älter, sondern auch komplett verrückt geworden zu sein. „Das ist viel zu gefährlich!“, protestierte ich. Allein die Vorstellung mit diesem Kerl in den Keller zu steigen ...
    „Nicht, wenn wir es genau planen. Jeder der Räume im Keller hat doch eine eigene Tür.“
    Markus nickte, Leo und ich sahen uns entgeistert an. Hilko fuhr ungerührt fort: „Wir verstecken uns mit einer Kamera hinter der Tür. Es ist da unten stockdunkel. Graukittel wird nichts bemerken. Unser Lockvogel geht mit ihm in den Raum, hält dann entsetzt einen Porno vor die Linse. Paff! – Blitzlicht – und rennt raus. Hinter ihm wird die Tür verbarrikadiert und der Fuchs ist in der Falle!“
    „Die Sau ist in der Falle!“ Markus schlug sich begeistert auf die Schenkel. „Der ist kein Fuchs, der ist eine totale Sau!“ Die Sache schien ihm tatsächlich zu gefallen.
    „Das geht schief“, sagte ich. „Was ist, wenn der Lockvogel nach dem Knipsen nicht schnell genug rauskommt? Dann hat ihn der Typ am Schlafittchen.“
    „In der Dunkelheit wird der von dem Blitz geblendet sein“, erwiderte Hilko.
    „Du meinst also, dass Graukittel tatsächlich so verrückt ist, einem von uns zu folgen?“, fragte Leo.
    „Der ist nicht nur verrückt, der ist geil. Verstehst du? Der kann gar nicht anders.“ Hilkos Zigarette war zu einem winzigen Stummel geschrumpft, die Glut nur noch Millimeter von seinen gelblichen Fingerspitzen entfernt, dennoch schaffte er einen letzten Zug, ehe er sie ins Gebüsch schnippte.
    Hilko überzeugte mich nicht und wenn ich in Leos Gesicht sah, las ich dort die selben Zweifel. Außerdem war die wichtigste Frage noch gar nicht gestellt worden.
    „Wer soll den Lockvogel machen?“
    Hilko zögerte. Eigentlich hatte ich bei seiner Begeisterung damit gerechnet, dass er laut „Ich!“ ruft.
    „Töffel können wir das nicht zumuten.“, hakte ich nach.
    „Der bringt das nicht“, stimmte mir sogar Markus zu, doch Hilko ließ sich nicht beirren.
    „Es muss einer von uns sein. Er darf nicht zu groß, nicht zu alt und muss vor allem harmlos, am besten sogar hilflos wirken. Wie ein Baby.“
    Wie ein Baby! Prima!, dachte ich. Damit scheidest du ja schon mal aus.
    „Markus ist zu kräftig“, fuhr Hilko fort. Der schien über diese Feststellung nicht besonders unglücklich zu sein.
    „Dann bleiben doch nur Ritsch und ich übrig“, stellte Leo fest. Er versuchte möglichst ungerührt zu erscheinen, aber seine Stimme rutschte in die Höhe. Leo quietschte immer ein wenig, wenn er nervös wurde.
    „Nöh, Ritsch geht nicht“, mischte sich Markus ein. „Ritsch sieht irgendwie nicht richtig harmlos aus. Die Kluft und die langen Haare. Nee. Aber Leo ... .“
    Ich trug eine braune Lederjacke, enge Jeans und hohe, schwarze Stiefel. Geschnürt. Sie waren mein ganzer Stolz. Leo hatte einen hellbraunen Bubikopf, nicht eine einzige Bartfluse unter der Nase und in seinem blauen Anorak und der weiten Kordhose wirkte er tatsächlich wie mein kleiner, vor allem harmloserer Bruder.
    Leo sprang auf. „Also, Leute ... Das könnt ihr vergessen.“ Er wühlte in den Taschen und fand noch ein letztes Stück Schokolade.
    Wie konnte er das Zeug von dem Mistkerl nur essen?
    „Es ist für Töffel“, sagte Hilko eindringlich. „Wir machen das nicht zum Spaß.“ Wir schwiegen und Hilko zog sich ächzend an seiner Krücke hoch. „Ich schwöre euch: Wenn sich keiner traut, versuche ich es selbst.“
    „Aber du bist weder jung noch harmlos“, meinte Markus. „Und die Krücke ...?“
    „Egal!“ Hilko stand vor uns, ich sah ihn an und erkannte, dass er nicht einfach nur durchgedreht war, verrückt nach Abenteuer, er wollte Töffel helfen. Dem Schwächsten seiner Freunde.
    „Müssen wir Töffel nicht zuerst einweihen?“, fragte ich. „Vielleicht machen wir alles nur noch schlimmer. Vielleicht täuschen wir uns sogar.“
    „Täuschen, Ritsch? Nach allem, was ihr erzählt habt?“ In Hilkos Blick lag Wut und eine deutliche Botschaft. Sie lautete

Weitere Kostenlose Bücher