Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir waren unsterblich (German Edition)

Wir waren unsterblich (German Edition)

Titel: Wir waren unsterblich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimon Weber
Vom Netzwerk:
ihnen Namen gegeben?“
    „Ja.“
    „Und? Wie heißen sie?“
    Töffel wurde rot und sagte nichts.
    Leo musterte ihn grinsend. „Ist es etwas Versautes?“
    Töffel schüttelte den Kopf. Seine Ohren glühten. Die Dinger standen unmittelbar vor dem Platzen. Wie gegrillte Tomaten. „Ihr dürft aber nicht sauer sein“, flüsterte er.
    „Niemals.“ Leo winkte lässig ab.
    Töffel räusperte sich. „Ich habe sie nach euch benannt.“
    „Nach uns?“
    „Sie heißen Hilko, Markus, Leo und Ritsch.“
    Leo starrte verblüfft ins Aquarium. Ein glänzender Panzer schob sich träge auf einen Stein. „Das ist Markus.“
    „Warum bist du denn nicht dabei?“, fragte Leo.
    „Es sind nur vier. Aber ehrlich, es sind alles Männchen.“
    Ich kicherte. Töffel sah mich an und stimmte dann mit ein.
    Das Zimmer war abgesehen von dem Glaskasten mit dem Schlammwasser und dem herausströmenden Gestank sehr gemütlich. Töffel hatte eine Wand mit Silberpapier beklebt. An ihr hingen Poster von Krokodilen, Kawasakis und Borussia Dortmund. Auf dem Boden lag ein blauer Flokati-Teppich. Ich besaß auch einen. In lila. Der verschluckte Erdnüsse und Kleingeld auf Nimmerwiedersehen.
    „Was hast du eigentlich für eine Krankheit?“, fragte Leo plötzich. „Deine Tante sagte was von Fieber. He, ich habe sechs Geschwister. Ich weiß, was Fieber ist. Du siehst ziemlich fit aus.“ Er machte eine Pause und blickte mich herausfordernd an.
    „Ich habe mit den anderen über diesen Kerl von gestern abend geredet“, begann ich. Töffel sank langsam tiefer, bis nur noch sein Kopf unter der Bettdecke herausragte.
    „Er ist hier der Hausmeister, oder?“, fuhr ich fort. Töffel nickte kaum merklich. „Was will er von dir? Hast du was ausgefressen?“ Jetzt schüttelte er zaghaft den Kopf.
    „Aber was ist es dann?“, fragte Leo.
    Töffel schluckte. Seine Stimme schien zu versagen, er rang mit sich und dann sagte er leise: „Er wartet auf mich. Manchmal sogar im Keller.“
    Ich begann zu verstehen, sah, wie sich die Augen meines Freundes mit Tränen füllten und alle Farbe aus seinem Gesicht wich. Seine Finger umklammerten den Rand der Decke. So fest, dass sich die Knöchel weiß abzeichneten. Nur die Ohren glühten noch immer.
    Ich stellte mir vor, wie Töffel in den Keller ging. Wahrscheinlich schickte ihn seine Tante dort hinunter, um eine Konserve oder Kartoffeln aus dem Vorratsraum zu holen. Und dann lauerte ihm der Graukittel auf, schälte sich aus den muffigen Schatten und ...
    Kein Wunder, dass sich Töffel vor dem Keller des verlassenen Bauernhofs fürchtete. Schutzlos allem ausgeliefert zu sein, das sich dort vielleicht verbarg.
    „Was will er von dir?“, fragte Leo. Töffel antwortete nicht, er schluchzte leise und eine einzige Träne rann über seine Wange. Die anderen hielt er mit aller Kraft zurück.
    „Ich glaube, der Kerl ... nun: Er steht auf Jungen.“
    „Die Sorte! Ein schmieriger Fummler“, sagte Leo wohl mehr zu sich selbst. „Scheiße!“
    „Hast du mit deiner Tante darüber gesprochen?“, fragte ich. Töffels Augen wurden noch größer und das bedeutete wohl so viel wie „Das ist unmöglich! Du weißt doch: Sie ist eine Erwachsene. “
    Im selben Moment klopfte es an der Tür und wir hörten ihre drängende Stimme: „Genug jetzt! Der Junge braucht Ruhe.“
    „Geht jetzt, bitte“, wisperte Töffel. „Ich möchte nicht, dass sie mich so sieht.“
    Leo stand auf und berührte sacht Töffels Arm. „Wir lassen dich nicht im Stich.“ Ich stand da, bewegt von dieser für Leo so ungewohnten Geste. „Auf gar keinen Fall“, fügte ich hinzu und kam mir mal wieder ziemlich unbeholfen vor.
    Auf dem Flur stampfte die Tante heran. Leo kam ihr zuvor und öffnete die Tür. „Wir wollten gerade gehen“, flötete er zu ihr empor.

    Zum Abschied steckte uns Töffels Tante noch eine Packung Schogetten zu. Dabei lächelte sie sogar. Einen Moment lang war ich versucht, sie auf die Sache mit dem Hausmeister anzusprechen, aber dann fiel die Tür ins Schloss und ihr Mondgesicht verschwand. Warum vertraute sich Töffel ihr nicht an?
    Leo stopfte sich zwei Vollmilch-Schogetten gleichzeitig in den Mund und hielt mir die Packung hin. Ich nahm ein Stück heraus und beschloss ihm, den Rest zu überlassen.
    „Nehmen wir den Aufzug?“ Leo streckte die Hand bereits nach dem Druckknopf aus. Ich nickte. So würden wir nicht an der Wohnung des Graukittels vorbeikommen.
    In der Tiefe des Gebäudes setzte sich der Aufzug mit einem

Weitere Kostenlose Bücher