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Wir waren unsterblich (German Edition)

Wir waren unsterblich (German Edition)

Titel: Wir waren unsterblich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimon Weber
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Lichtlose nachts kommt?“, fragte Leo plötzlich. „Wir können doch nicht die ganze Zeit hierbleiben?“
    „Ich schon“, tönte Markus. „Ich gehe um neun nach Hause und verschwinde dann wieder durchs Fenster.“ Markus wohnte wie Hilko in einem Bungalow. Dort zu jeder Tag- und Nachtzeit ein und auszusteigen, war kein Problem.
    „Du willst dann allein aufpassen?“ Töffel war fassungslos.
    „Wir haben das eben schon besprochen.“ Hilko wischte sich den Schnaps von den Lippen. Der Pegel in der Flasche war beträchtlich gesunken. „Ich bleibe auch hier.“
    „Ich kann nicht“, brummte Leo. „Meine Mutter merkt sofort, wenn ich mich wegschleiche.“
    „Meine Tante auch“, fügte Töffel eilig hinzu.
    „Was ist mir dir, Ritsch?“ Markus beobachtete den Feldweg und das Gelände vor dem Bauernhof.
    „Ich könnte es versuchen. Aber erst später, wenn meine Eltern im Bett sind.“ Mir war nicht wohl dabei, die halbe Nacht oder länger in der Scheune zu verbringen.
    „Es reicht, wenn wir zu zweit sind“, sagte Hilko. „Markus und ich übernehmen die erste Wache. Morgen bleibt Ritsch bei mir.“
    „Du willst zwei Nächte wach bleiben“, staunte Töffel.
    „Kein ... Problem.“ Ich glaubte ein leichtes Lallen in Hilkos Stimme zu vernehmen. Auch ich spürte den Alkohol. Es war ein körperliches Gefühl. Wein und Hilkos Spezialmischung, von der ich nur zwei winzige Schlucke genommen hatte, verbreiteten eine Wärme, die sich von der Brust bis in die Fingerspitzen ausbreitete. Die wachsende Trunkenheit nahm mir das dumpfe Gefühl der Angst, das auf mir lastete. Ich fühlte mich immer zuversichtlicher. Wir konnten aus der Sache herauskommen. Ich zwinkerte Töffel zu und hielt ihm den Wein vor die Nase. Töffel sah mich verständnislos an und griff dann zum ersten und letzten Mal an diesem Tag nach dem Alkohol. Als er Leo und mich später auf den Heimweg begleitete, war er der einzige Nüchterne von uns.

    In der Nacht weckte mich ein lautes, klickendes Geräusch. Ich lag in der Dunkelheit in meinem Bett und wartete ab, ob sich das Klicken wiederholte. Vielleicht hatte ich es nur geträumt. Mir war schlecht. Wein und Schnaps stiegen mir bitter und schaumig die Kehle hinauf.
    Klick! Es war kein Traum gewesen. Ich sprang aus dem Bett, taumelte und stützte mich an der Wand ab. Etwas war gegen die Fensterscheibe geprallt. Mein Zimmer befand sich in der oberen Etage des Reihenhauses. Durch das Fenster konnte ich in den kleinen Garten sehen. Die Straßenlaterne hinter der Hecke tauchte die Hälfte der Rasenfläche in blasses Licht. Dort standen zwei Gestalten: Markus und Hilko. Markus holte gerade aus, um einen weiteren Kieselstein gegen mein Fenster zu werden. Ich öffnete es eilig. „Ritsch!“, hörte ich Markus´ Stimme. „Komm runter! Schnell!“ Draußen herrschte absolute Stille, kein Luftzug bewegte die Blätter der Bäume und Büsche.
    Ich zog mich an und schlich nach draußen. Ein Blick auf die Küchenuhr zeigte mir, dass es zwanzig vor zwei war. Meine Eltern lagen jetzt im tiefsten Schlummer. Die Nacht war kühl, der Sommer war vorüber. Meine Freunde fingen mich bereits vor der Tür ab. Sie waren völlig aufgekratzt. Hilkos Atem roch nach Alkohol, aber als er sprach, schien er einigermaßen nüchtern. „Wir haben ihn!“, sagte er laut und ich bat ihn, leiser zu sprechen. „Aber es stimmt!“ Markus umklammerte meinen Arm. In der anderen Hand schwenkte er die Kamera. „Vor einer halben Stunde war er da!“
    „Wer ist es? Habt ihr ihn gesehen?“ Die Aufregung und die kalte Nachtluft vertrieb die Wirkung des Alkohols aus meinem Kopf.
    „Nicht genau“, erwiderte Markus, schnappte nach Luft und erzählte. Hilko und er hatten den letzten Schnaps ausgetrunken und waren eingenickt. Irgendwann schreckte Markus hoch. Er hörte Geräusche. Jemand schlich über den Hof. Markus lehnte sich aus dem Scheunentor und konnte einen schwarzen Schemen erkennen, der im Eingang zum Wohngebäude verschwand. Markus weckte Hilko. Sie trauten sich zuerst nicht, die Scheune zu verlassen. Aber als sie eine Zeitlang lauschten und nichts mehr hörten, beschlossen sie, ganz vorsichtig nach unten zu gehen. Das Haus schien in der Nacht zu leben. Von überall drangen leise Geräusche: Knistern, Wispern und Schaben. Zuerst versicherten sie sich, dass es Ratten, Mäuse und Insekten seien, aber irgendwann machten ihre Nerven nicht mehr mit. Markus trat den Rückzug an. Als er den Stall betrat, glaubte er Hilko dicht hinter sich

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