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Wir waren unsterblich (German Edition)

Wir waren unsterblich (German Edition)

Titel: Wir waren unsterblich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimon Weber
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beeilte ich mich zu sagen. „Wissen Sie, wo sich Töffel mit uns treffen wollte?“
    „Na, da wo ihr immer rumlungert. Auf diesem Bauernhof.“
    Ich spürte, wie mir die Hitze vom Bauch in den Kopf stieg.

    „Mist! Ich will da ... na ja ... nicht unvorbereitet hin“, gab Leo zu.
    „Du glaubst, dass es da gefährlich werden könnte?“, fragte Markus.
    „Lass ihn.“ Ich sah Markus scharf an. Er hob abwehrend die Hände. Wir standen auf dem Gehweg zwischen Hochhaus und Spielplatz. Hilko stierte uns mit glasigen Augen an. Er spuckte auf den Boden, dann holte er plötzlich aus und schlug sich mit der flachen Hand ins Gesicht. Auf Hilkos Wange bildete sich ein roter Fleck, aber sein Blick schien klarer. „Ich hole ihn.“ Den Kopf leicht nach vorn gebeugt, als müsste er die Bewegung seiner Füße im Auge behalten, marschierte er über den Spielplatz, wäre beinahe in den Sandkasten gestürzt, wich umständlich einem Mülleimer aus und verschwand hinter einer Hecke.
    Hilko war schon ein gutes Stück voraus, als wir ihm folgten
    Als wir den Weg zwischen den Feldern mit ihren gelblichen Stoppeln erreichten, begann es zu regnen. Leo und ich zogen uns die Jacken über den Kopf. Markus hielt mein Gespensterbuch wie ein Schild über sich. Zuerst wollte ich protestieren, doch ich schwieg. Es war lächerlich, sich jetzt über ein ruiniertes Buch aufzuregen. Hilko ignorierte den Regen. Zwischen nassen Haarsträhnen schimmerte seine weiße Kopfhaut.
    Ein merkwürdiger Grauschleier lag über den Gebäuden. Zum ersten Mal fiel mir auf, wie baufällig, wie verrottet der Bauernhof war. Die Farbe blätterte in langen Streifen von den Toren und Türen, als wären sie in der Mauser; Regenrinnen bogen sich unter der Last von Laub und Dreck; Wasser vermischte sich in bunt schimmernden Pfützen mit Chemikalien, Öl und Benzin. Plötzlich kam es mir absurd vor, dass wir hier all die Monate verbracht hatten. Leo schien ähnlich zu empfinden. Er hielt kurz inne, legte den Kopf in den Nacken und ließ den Blick über das Dach des Hauptgebäudes gleiten. Ein paar Krähen hockten auf dem Dachfirst und duckten sich unter den Regentropfen. Leo klatschte in die Hände. Die Vögel trippelten hin und her, flogen aber nicht davon. Hilko und Markus waren bereits im Haus. Wir rannten los und holten sie im Flur zum Stall ein. Hilko summte laut eine schräge Melodie.
    „Was soll das?“, fragte Leo. Hilko summte weiter.
    „Er will, dass Töffel uns hört“, erklärte Markus. „Damit er keinen Schrecken bekommt.“
    Töffel erwartete uns in der Scheune. Mit scheuem Lächeln winkte er uns von der Treppe aus zu. „Ich konnte euch nicht anrufen. Meine Tante hätte das mitbekommen. Die Polizei hat Grundmanns Wagen entdeckt. Es war ... .“
    „Wir wissen Bescheid“, unterbrach ihn Hilko. „Wir waren bei deiner Tante.“
    „Oh!“, machte Töffel.
    „Ich glaube nicht, dass wir damit ein Problem bekommen“, sagte ich und übersprang die beiden letzten Stufen. „Wir haben keine Spuren im Opel hinterlassen.“
    „Nöh.“ Markus baute sich hinter mir auf. „Und nur Charlie hat uns mit der Karre gesehen.“
    Töffel musterte uns ungläubig. „Ihr macht euch also keine Sorgen?“
    „Aber da ist was anderes“, begann Leo. Schon die ganze Zeit ballte er die Fäuste und sah sich nervös um, als erwartete er einen Angriff. „Was viel Schlimmeres.“
    Töffel zuckte zusammen.
    „Oh ja!“, stimmte Markus zu. Er griff in seine Jackentasche, um das Foto herauszuholen.
    „Nicht!“ Hilko hielt Markus Arm fest.
    Töffel sah verwirrt zu ihnen auf. „Ich habe keine Angst.“ Er versuchte ein Lächeln, zeigte aber nur seine zu groß geratenen Schneidezähne. „Deshalb bin ich auch allein hierhin gegangen. Ich dachte, dass ihr hier schon wieder auf der Lauer liegt.“
    Der Regen war stärker geworden. Die Tropfen prasselten wie winzige Steine auf das Scheunendach. Töffel tippte gegen Markus Brust. „Was wolltest du mir denn zeigen?“ Markus sah unsicher zu Hilko. Der schüttelte den Kopf. Töffel schob die Unterlippe vor und sah aus wie ein schmollender Erstklässler. Unter anderen Umständen hätte ich grinsen müssen, gab aber jetzt nur ein paar hilflose Ächzer und Schnaufer von mir. Töffel stampfte mit dem Fuß auf. „Verdammt!“ Seine Stimme schnappte über. „Behandelt mich nicht wie ein Kleinkind! Ich will es wissen!“ Ohne Vorwarnung boxte er Hilko in den Bauch. Erschrocken über Töffels Ausbruch starrten wir uns an. Der Schlag konnte

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