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Wir wollen Freiheit

Wir wollen Freiheit

Titel: Wir wollen Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Gerlach
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Moderatorin Schahira Amin zum ersten Mal den Ruf »Hau ab Mubarak!« über die Lippen. »Ich war zwar jeden Tag auf dem Tahrir-Platz, aber ich konnte nicht gegen Mubarak rufen. Vielleicht aus Respekt, weil ich ja vorher mit ihm auf Auslandsreisen war und ihn persönlich kannte«, sagt sie. Sie schafft es noch nicht gleich morgens, aber am Abend ist sie so weit. Dann schreit sie aus vollem Hals.
    Schon morgens machen Gerüchte die Runde: Angeblich will sich Mubarak die Schmach ersparen, dass die Demonstranten zu seinem Palast ziehen. Aus der Regierungspartei werden die Gerüchte bestärkt. Schon am frühen Nachmittag ist der Tahrir-Platz so voll, dass die Menschen nicht mehr umfallen können. Die Ersten beginnen zu tanzen, nachdem |67| General Sani Adnan auf den Platz kommt und sagt: »Eure Forderungen werden erfüllt.« Kurz darauf laufen im Fernsehen Bilder eines Treffens des Hohen Rates des Militärs; ohne Mubarak. CIA Direktor Leon Panetta sagt am Nachmittag im U S-Kongress , dass er Informationen habe, dass Mubarak zurücktreten werde. Hoffnungsfroh macht die Menschen auch das Staatsfernsehen. Es zeigt zum ersten Mal das gleiche Bild vom Tahrir-Platz wie
Al Dschasira
und alle anderen: Einen Platz mit Millionen von Menschen in großer Erwartung. Bald erscheint am Bildschirmrand dann auch das Laufband: In Kürze wird eine Rede von Präsident Mubarak erwartet. Das Land wartet und feiert.
Al Dschasira
zeigt einen Demonstranten, der schon ein Transparent mit »The End« in die Kamera hält: Die Geschichte ist zu Ende. Es folgt der Abspann.
    Um 22:30   Uhr beginnt Hosni Mubarak seine Rede. Die Menschen hängen an seinen Lippen und warten. Warten. Warten vergeblich auf die entscheidenden Worte, die er nicht sagt. Stattdessen verkündet er, dass er bleiben will. Er sei noch nicht fertig. Da werden die Menschen auf dem Tahrir wütend. Zeigen ihre Schuhe und schimpfen aus vollem Hals.
    »Meinen Schuh habe ich nicht ausgezogen. Das ist ja eine sehr starke Beleidigung in unserem Verständnis, aber mit einem Mal konnte ich mitschreien: »Yuskut, yuskut, Hosni Mubarak – stürze, stürze, Hosni Mubarak!«, sagt die Moderatorin Schahira Amin.
    Kurze Zeit später tritt Omar Suleiman vor die Kamera und fordert die Menschen auf, nach Hause zu gehen und wieder zu arbeiten. »Wir brauchen jetzt jede Hand«, sagt er. Auch er kriegt den Schuh gezeigt. Die Demonstranten strömen inzwischen vom Tahrir-Platz. Enttäuscht. Verzweifelt. Zornig. »Diese Menschen sind so wütend, da muss man jetzt mit allem rechnen«, kommentiert der Reporter von CNN.   Doch es passiert ein weiteres Wunder dieser Tage: Die Menschen gehen zum Fernsehgebäude, das rund zehn Minuten |68| zu Fuß vom Tahrir-Platz entfernt ist und stellen sich davor. Friedlich.
    Freitag   – Der Tag des Rücktritts
11.   Februar 2011
    Der Morgen ist dunstig und trübe, so wie die Stimmung der Demonstranten. »Diese Rede Mubaraks hat einmal mehr gezeigt, wie weit er sich von uns entfernt hat. Er hat uns nicht zugehört und versteht uns nicht und das Schlimmste von allem: Er hat keinen Respekt für sein Volk. Er hält uns für dumm!«, sagt die Karikaturistin Samah Faruk. Er sei schlimmer, als sie ihn in ihren gemeinsten Karikaturen dargestellt habe. Gegen Mittag versammeln sich die Menschen auf dem Tahrir. Gebet unter freiem Himmel. Wie viele Menschen es sind, lässt sich schwer schätzen und in den letzten Tagen hat es eine Inflation der Schätzungen gegeben. Waren es am Dienstag der Millionen zwei Millionen Menschen auf dem Platz, dann sind es heute mindestens fünf Millionen, aber wahrscheinlich liegt die wirkliche Zahl bei einigen Hunderttausend. Wenn sich so viele Menschen auf einmal zum Gebet beugen, dann ist das wie starke Brandung. Nach dem Gebet machen sich die Demonstranten auf zum Präsidentenpalast. In Gruppen laufen sie los, ein endloser Strom von Menschen. Andere bleiben auf dem Platz zurück.
    Was dann passiert, damit rechnet niemand und es ist keine Leinwand und kein Beamer vorbereitet. So klingt die Stimme Omar Suleimans verzerrt, als sie gegen 18   Uhr über den Tahrir-Platz tönt. Sie kommt aus einem Megaphon, vor das wiederum ein Handy gehalten wird und am anderen Ende der Leitung wird ein weiteres Handy an einen Fernseher gehalten. Doch das macht nichts, denn was er sagt, ist deutlich zu verstehen: Hosni Mubarak tritt ab. Kurzes |69| Schweigen, dann bricht auf dem Platz der Jubel los. Es beginnt eine Party, die mehrere Tage andauert. Ich erlebe diese

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