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Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Titel: Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Beitzer
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Unternehmen: Wer ist kundenfreundlicher? Wer hat die zufriedensten Mitarbeiter? Wer achtet am meisten auf die Umwelt?
    Der dauernde Informationsüberschuss hat aber auch einen – aus Unternehmersicht – angenehmen Effekt: Wir sind dadurch daran gewöhnt, unsere Standpunkte zu ändern, an neue Situationen anzupassen. Niemand weiß alles – das ist uns angesichts der zahlreichen Möglichkeiten, die nicht zuletzt das Internet bietet, mehr als früheren Generationen bewusst. Und besser man ändert seine Meinung transparent, als dass man auf ihr beharrt, nur weil man sein Gesicht nicht verlieren will. «Post-Edit-Verfahren» heißt dieses Verhalten im Netz.
    Außerdem sind, so heißt es wiederum in Studien, nach 1980 Geborene eher dazu bereit, Aufgaben an andere zu delegieren, sofern die erwiesenermaßen mehr Ahnung vom Thema haben. Auch das sei eine Folge der vernetzten Gesellschaft – wichtig ist nicht mehr, selbst alles zu wissen oder zu können, sondern im Einzelfall zu wissen, wo man jemanden findet, der das kann, was man gerade braucht. Eine Expertengläubigkeit übrigens, die auch in der Piratenpartei großen Widerhall findet – und die natürlich nicht immer gerechtfertigt ist, weil sie die großen Visionen oft vermissen lässt.
    Was ist also so schlimm an der Generation Y? In Wahrheit geht es für die Wirtschaft um Macht. Mit dem Auftauchen der neuen, selbstbewussten Generation, die ganz selbstverständlich für sich das perfekte Leben einfordert, werden auch alte Hierarchien in Frage gestellt. Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer – das traditionell rein sprachlich ein enormes Hierarchiegefälle in der Wahrnehmung offenbart –, wird plötzlich zu einem ausgewogenen Gleichgewicht.
    Die Generation Y denkt überhaupt nicht daran, sich in die Rolle des «Nehmenden» zu begeben – wo sie doch in Wahrheit etwas gibt. Nämlich ihre Zeit, ja, ihre besten Jahre, ihre Arbeitskraft, ihre gute Ausbildung. Damit mussten die verdutzten Chefs erst einmal klarkommen. Sie waren es schlicht nicht gewohnt, bei Vorstellungsgesprächen genauso akribisch auf Herz und Nieren geprüft zu werden, wie sie es umgekehrt mit den Bewerbern tun. Sich bei den jungen Talenten zu bewerben – und nicht einfach mit den Händen im Schoß auf Bewerbungen zu warten. Und bis heute finden viele von ihnen es im Grunde genommen anmaßend und frech. Aber was sollen sie tun? Wo Talente immer knapper werden, muss man sich anpassen. So will es die freie Marktwirtschaft.
    Ein Unternehmen muss sich die Loyalität der nach 1980 Geborenen erst erarbeiten. Hält es nicht, was es verspricht, ist es den neu gewonnenen Mitarbeiter gleich wieder los. Befehl und Gehorsam werden von ihm nicht akzeptiert, was viele Manager um die 50  Bauklötze staunen lässt. Die Wirtschaft, so glauben die Jungen, soll für die Menschen da sein. Nicht umgekehrt. Und hier sind sie eigentlich wieder verdammt nah an der linken Studentenbewegung ihrer Eltern und Großeltern, bloß, dass sie den Kapitalismus nicht verteufeln, sondern versuchen, ihn zu ihren Gunsten umzumodeln, zu umgarnen.
    Für Politik und Unternehmen wiederum ist die wichtigste Erkenntnis der vielen Untersuchungen zur Generation Y, dass alles, was sich die Jungen wünschen, eigentlich auch anderen Generationen wichtig ist. Auch der 45 -Jährige wünscht sich mehr Zeit mit der Familie, auch der 50 -Jährige möchte gern einen inhaltlich spannenden Job haben. Auch viele Ältere wünschen sich hin und wieder Abwechslung, und auch sie möchten gerne Feedback für ihre Arbeit bekommen. Auch sie wollen von ihrem Arbeitgeber als gleichberechtigter Vertragspartner wahrgenommen werden. Auch sie mögen natürlich ein angenehmes, kollegiales Umfeld lieber als eine Bürogemeinschaft, in der alle sich vor dem Chef wegducken.
    Doch erst die Generation Y ist selbstbewusst genug – ja, man könnte auch sagen: verwöhnt genug –, all dies selbstverständlich einzufordern. Und sie kann es sich auch leisten, da die Unternehmen auf junge Arbeitskräfte angewiesen sind. Manche Ältere missgönnen ihnen dieses Selbstbewusstsein, vor allem, wenn sie sich selbst mühevoll nach oben kämpfen mussten. Ganz nach dem Motto: Ich musste auch leiden – warum muss das der Jungspund nicht? Ein Verhalten übrigens, das oft auch von jungen Frauen beklagt wird, die sich von älteren erfolgreichen Frauen nicht gefördert sehen, weil diese von ihnen dieselbe Art von Anpassung und Opfer fordern, die sie selbst bringen

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