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Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Titel: Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Beitzer
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feiern schien und die New Economy den Markt in einen coolen Erlebnispark verwandelte, sahen wir, wie die sogenannte Generation X das Leben als eine endlose Party feierte.
    Wir sahen Unternehmen aus dem Boden schießen, die nichts verkauften außer Ideen. Start-ups ließen die Firmen, in denen unsere Eltern arbeiteten, ziemlich schwerfällig und alt aussehen. «Deutsche Wertarbeit», «deutsche Qualität» – all das klang irgendwie lächerlich in unseren Ohren. Solide, qualitätsversessen und pünktlich – also kurz: typisch deutsch – wollten wir nie sein. Schon als Kinder lernten wir, dass der äußere Schein, dass Werbung unendliche Macht hat. Wir lernten, dass man alles verkaufen kann, wenn man es nur geschickt anstellt, wenn es bunt genug, neu genug, cool genug ist.
    Auf der anderen Seite spürten wir schon in den neunziger Jahren, dass irgendetwas nicht so gut lief in Deutschland. Meine Freunde und ich erlebten, wie die Arbeitslosenzahlen stiegen, wie der Wohlstand stockte. In unserer Kindheit war materieller Wohlstand so selbstverständlich, dass wir nie auf die Idee gekommen wären, es könnte uns einmal schlechter gehen als unseren Eltern. Doch nun wurden wir erwachsen mit der Erkenntnis, dass die vom dicken Einheitskanzler Kohl versprochenen «blühenden Landschaften» im Osten nichts als eine dreiste Lüge waren. Oder vielleicht auch versponnene Träumerei – schwer zu sagen, was für einen Bundeskanzler unangemessener wäre. Dennoch war der Osten für diejenigen von uns, die im Westen aufwuchsen, damals noch ziemlich weit weg. Die Arbeitslosen gab es halt da, und nicht bei uns. Und unser eigener Eintritt ins Berufsleben schien ohnehin noch weit entfernt. Wozu sich also Sorgen machen? Und die Leute im Osten wurden währenddessen eben zu Webdesignern und Systemadministratoren umgeschult. Die Zukunft lag im digitalen Raum!
    Wir klickten uns durch die bunten Anfänge des Internets und gewöhnten uns gerade daran, dass Kreativität und ein Händchen fürs Geschäft wichtiger sind als ein ausgefeiltes, womöglich auch noch traditionsreiches Produkt – als wir zum Jahrtausendwechsel die Dotcom-Blase platzen sahen. Hier scheiterte eine weitere Utopie unserer Kindheit und Jugend. Die Helden der Neunziger – Internetunternehmer, Werbeagenturen, die ganze Party-Meute – guckten reichlich belämmert aus der Wäsche. Und wir erkannten, dass der schöne Schein sich stets nur für einige Zeit aufrechterhalten lässt, dass sich eben nicht alles verkaufen und dass sich nicht aus jeder halbwegs netten Idee auch ein dauerhaftes Geschäft machen lässt.
    Aber schon erschien eine neue wirtschaftspolitische Utopie am Horizont: der Euro. Als die neue, gemeinsame Währung eingeführt wurde, verdienten die meisten von uns noch gar kein eigenes Geld. Die D-Mark sollten wir alle bald vergessen haben, das ewige Umrechnen der Eltern («Fünf Euro! Das sind ja zehn Mark!») rauschte genauso an uns vorbei wie das Gerede um den «Teuro». Wir fanden es einfach praktisch, dass wir nicht mehr umständlich Geld umtauschen mussten, wenn wir mal eben nach Österreich oder Italien fahren wollten.
    2001 krachten dann am anderen Ende der Welt zwei Flugzeuge in die Türme des World Trade Center. Die Eltern saßen mit Tränen vor dem Fernseher, fast wie damals, 1989 . Nur dass es diesmal Tränen des Entsetzens waren. Der Traum vom Frieden, von der internationalen Verständigung, er war nach nur einem Jahrzehnt endgültig ausgeträumt. Der Kommunismus hatte kaum ausgedient, da wurde der westlichen Welt ein neuer Feind präsentiert: der Islam. Hier sollten sie nun sitzen, die Fortschrittsfeinde, die unsere Lebensform verachteten und unsere Kultur gefährdeten.
    Für alle, die älter waren als wir, war 9 / 11 ein Schock, eine längst überfällige Lektion in Demut. Für uns war es ein politisches Erweckungserlebnis, ein unsanftes Erwachen – und eine Bestätigung für unseren Verdacht, dass die Welt kein Spielplatz ist und die Utopie unserer Kindheit, der Weltfrieden, nicht wahr werden wird. Deutschland marschierte zusammen mit einigen anderen in Afghanistan ein, was nur bei wenigen Leuten auf Widerstand stieß. Im Irakkrieg war das schon anders. Da hatten wir schon realisiert, dass wir unseren westlichen Lebensentwurf nicht wie Autos oder Computerteile in alle Welt exportieren können und dass viele davon gern darauf verzichteten, dass wir ihnen Demokratie beibringen.
    Doch nicht weniger beunruhigend als die Weltpolitik war das, was bei

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