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Wir Wunderkinder

Titel: Wir Wunderkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hartung Hugo
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klein und ganz still. Bloß ein leises Sausen war zu hören. Das war die Luft in den Ballonleinen. Und wenn in einem Dorf Hunde gebellt haben, hat man es auch gehört. Ich hab' gesagt, wenn einmal welche von einem andern Stern auf der Erde landen, werden sie zuerst bloß Hunde hören, und sie werden denken, die Menschen bellen. Das hat sich der von der Zeitung gleich aufgeschrieben. Und dann hab' ich noch gesagt, es wäre doch fein, wenn in den Säcken außen am Korb nicht bloß Sand wäre, sondern Pulver oder Dynamit, und das könnte man dann auf die Städte runterschmeißen.
    Da quakte wieder der alte Kienzel los und sagte, das wäre ja bezeichnend für mich, daß ich auch noch meine Landsleute ausrotten wollte. Und da sagte ich, das würde ich natürlich nur über unseren Feinden tun. Weiter hab' ich aber nichts dazu gesagt, weil Herr Kienzel doch nichts für mich bezahlt hätte.
    Plötzlich krähte Herr Rockezoll: ›Konstante Drift Westsüdwest. Wahrscheinlich Kurs Leipzig!‹
    Das gab nun eine mächtige Aufregung in der Gondel. Sie beglückwünschten Herrn Rockezoll, als ob er den richtigen Wind gemacht hätte, und Herr Kienzel lobte das kommunale Gas unserer Heimatstadt. Ich dachte bloß: ›Jetzt sollten dich mal die Schlappschwänze aus deiner Klasse, der … und der … {1} sehen!‹
    Auf einmal kamen Wolken. Es drückte den Ballon runter, und da hatten wir das Glück, die Häuser von der großen Stadt ganz nah zu sehen. Und weil ich die besten Augen von allen hatte, sah ich als erster das Völkerschlachtdenkmal, wo sie gerade noch am Einweihen waren. Und wie ich schrie: ›Das Völkerschlachtdenkmal!‹, kriegte es Herr Rockezoll auf einmal mit der Rührung. Er vergaß, daß er böse mit mir war und fiel mir um den Hals. Ich hab' sogar ein paar Tränen in seinem Prinz-Heinrichs-Bart gesehen.
    Die Begeisterung war so groß, daß alle miteinander gut wurden, und Herr Kienzel sagte ganz feierlich, wie in einer von seinen Kriegervereinsreden, so wie hier auf engem Räume müßten alle Deutschen, ohne Rücksicht auf Alter und Religion, einig zusammenstehen, um allen Stürmen und feindlichen Elementen zu trotzen. Eigentlich hatten wir gar keinen Sturm gehabt, bloß das bißchen Westsüdwestbrise, und bisher waren sie ja auch alle miteinander böse gewesen.
    Jetzt drückte es uns noch mehr, und wir kamen ganz nahe auf das Denkmal runter. Man hörte Musik, aber immer nur das ›Wumba-Wumba‹ von den Posaunen und das ›Bum-Bum‹ der großen Pauken. Und man sah viele weiße Frauenkleider und schwarze Männeranzüge, und dazwischen war es ganz bunt von Uniformen. An einer Stelle blitzte und funkelte es ganz toll, und da schrie ich wieder: ›Dort steht der Kaiser‹, und Herr Kienzel sagte: ›Wahrhaftig: Majestät!‹ und legte die Hand an den Helm. Aber er hatte keinen auf.
    Unten merkten sie nun auch, daß wir kamen, und auf einmal guckten alle nach oben und winkten mit Taschentüchern. Und wie wir sahen, daß auch der Kaiser und die Fürsten raufguckten, wurden wir schrecklich stolz, und Herr Rockezoll wischte sich immer wieder heimlich Tränen aus dem Bart. Der Zeitungsonkel aber mußte so fix schreiben, daß er überhaupt nicht mehr runtergucken konnte.
    Weil es von oben immer stärker drückte und auch schwarze Wolken kamen, fragte Herr Rockezoll, ob wir nicht an dieser erhabenen Stätte landen sollten. Da war nämlich in der Gegend vom Denkmal noch ein leerer Platz ohne Häuser. Und wieder waren sie alle begeistert, bis auf den Berliner, der noch weiter nach Osten fliegen wollte. Aber auf den hörte keiner. Und darum trillerte Herr Rockezoll wieder auf seinem Pfeifchen, rief ›Klar zur Landung!‹, und als wir ein bißchen vom Denkmal weg waren, zog er die Reißleine. Das gab ein Zischen! Und jetzt kriegten wir alle Angst, weil wir dachten, wir kommen in eine Starkstromleitung oder vergiften uns an dem Gas, was aus der ›Altenburg‹ rausgeht. Aber es ist nichts passiert. Bloß den Zeitungsfritzen hat es mit der Stirn auf die Gondel aufgehauen, weil er vor lauter Schreiben nicht aufgepaßt hat.
    »Wir sind in einem Rübenfeld gelandet …« (Die folgenden Aufzeichnungen über die Landung der ›Altenburg‹, die Bergung der Ballonhülle usw. möchte ich als weniger interessant weglassen. Wahrscheinlich werde ich erst dort wieder wörtlich zitieren, wo der junge Bruno Tiches dem Kaiser begegnet.)
    »Da stand ich nun an der großen Straße, wo sie alle vorbei mußten. Fahnen in allen Farben knatterten,

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