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Wir zwei sind Du und Ich

Wir zwei sind Du und Ich

Titel: Wir zwei sind Du und Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Raufelder
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nur so feige? So schwach, klein und hilflos, denkt sie verbittert. Dafür hasst sie sich!
    So wie Ben, denkt sie. Ben, der in ein rotes Auto steigt und einfach davonfährt. Wohin er will. Warum hat er sich nie bei ihr gemeldet? Kein Brief. Keine Adresse. Kein Abschied. Er war einfach verschwunden und hat sie allein gelassen. Tränen laufen ihre Wangen herunter. Sie schmecken salzig und nach Einsamkeit.

Kinderglück
    „Was ist denn mit dir los? Du siehst vielleicht fertig aus!“ Belinda hat sich zu Ri gesellt, die trübsinnig mit hängenden Schultern und dunklen Augenringen am Treppengeländer vor ihrem Klassenzimmer steht.
    „Deine Komplimente sind echt umwerfend“, gibt Ri mit matter Stimme zurück.
    „Wieder Stress mit deinem Alten?“
    „Hmm.“
    „Weißt du was? Ich habe eine super Idee!“
    Ri guckt Belinda aus ihren braunen Kulleraugen skeptisch an. So viel Tatendrang am frühen Morgen ist Ri unheimlich.
    „Wir verdünnisieren uns jetzt ganz schnell, machen die Doppelstunde bei Krause blau, gehen stattdessen ins Impala und du erzählst mir in aller Ruhe was los ist!“
    Die Vorstellung ist zu verlockend! Bevor Ri antworten kann, hat Belinda sich schon ihre Schultasche geschnappt und zerrt Ri die Schultreppe runter.
    „Meinste, das ist wirklich eine gute Idee? Wir werden riesigen Ärger bekommen!“, gibt Ri zu bedenken.
    „Das ist doch jetzt eh egal!“, sagt Belinda in gewohnter Gelassenheit.
    Ri wehrt sich nicht. Sie ergibt sich Belinda, weil es schön ist, einfach loszulassen, alle Verantwortung abzugeben.
    Als die Schulglocke läutet, haben sie das rote Backsteingebäude schon hinter sich gelassen und laufen die Dunckerstraße Richtung Impala hoch.
    Ri erzählt Belinda vom gestrigen Abend – vom Rosenkohl, der Mathearbeit, dem umgeworfenen Stuhl und dem Schweizer Internat. Es sprudelt einfach so aus ihr heraus.
    Belinda sagt nur ab und an „so ein Arsch!“ oder „das jibt es doch jar nisch!“
    Als sie schließlich im Impala vor zwei dampfenden Tassen heißer Schokolade sitzen, ist Belinda ziemlich aufgebracht.
    „Mensch Ri, das tut mir echt leid, dass du so einen Alten hast! Dem würde ich gern mal ordentlich meine Meinung sagen!“
    „Das bringt ja auch nichts“, sagt Ri leise. „Ist alles hoffnungslos! Vergebens.“
    Für einen Moment sitzen sich die beiden stumm gegenüber und schauen durch die große Fensterscheibe auf die bunt belebte Kreuzung an der Eberswalder Straße. Alte und junge Menschen laufen eilig vorbei, Hunde streunen umher, Kinderwagen werden an ihnen vorbeigeschoben und die gelbe Tram donnert ohrenbetäubend über die Gleise.
    Ri nimmt allen Mut zusammen. Sie weiß nicht, wie sie anfangen soll und dann ist es doch ganz leicht.
    „Hab ich dir eigentlich jemals von Ben erzählt?“, fragt sie Belinda, die sie nur verständnislos anblickt.
    „Er war mein bester Freund. Früher– als wir noch Kinder waren. Wir haben jeden Tag zusammen verbracht. Sogar Weihnachten.“ Ri hält inne. Es fällt ihr schwer von Ben und den alten Zeiten zu erzählen. Glücklichen Zeiten – mit jedem Wort, mit jeder Erinnerung bohrt sich der Schmerz um den Verlust von Ben tiefer und tiefer in ihr Herz.
    „Er war wie ein großer Bruder. Wir haben zusammen Fußball gespielt oder Fallschirme für unsere Schlümpfe gebastelt. Ein einziger Tag war für uns tausend Welten.“
    Ri nippt an ihrer heißen Schokolade und schaut aus dem Fenster. Eine Gruppe Kita-Kinder läuft händchenhaltend vorbei. Rosa Jacken. Flauschige warme Mäntel. Kleine Schritte und wahre Freundschaft, denkt Ri.
    Belinda schaut Ri erwartungsvoll an, aber sie drängelt nicht. Ungewohnt still sitzt sie ihr gegenüber. Aufmerksam hört sie zu, was Ri zu erzählen hat.
    „Mit Ben konnte ich einfach ich sein“, durchbricht Ri die Stille. „Verstehste was ich meine?“
    „Ich glaub schon“, sagt Belinda und nickt Ri aufmunternd zu.
    „Bei Ben musste ich mich nicht verstellen. Es gab kein Richtig und kein Falsch. Ich musste nicht überlegen, wie ich mich verhalte, was ich sage oder was ich anhabe, um gemocht zu werden. Ben hat mich einfach gemocht. So wie ich war.“
    Belinda schaut in Ris traurige, große Augen. „Und was ist dann passiert? Ich meine, wo ist Ben jetzt?“
    Ri nimmt ihre Tasse und leert die Schokolade mit einem einzigen großen Schluck. Sie liebt das Gefühl, wenn sich die wohlige Wärme in ihr ausbreitet. Es gibt ihr Mut.
    „Es war an einem kalten Novembertag“, beginnt Ri. „Ich war neun, Ben dreizehn.

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