Wirbelsturm
gekommen?« Er lachte kreischend auf. »Es ist nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe, die Teufel sind noch nicht da, und auch nicht das kochende Öl und die Flammen, aber dafür gibt es keine Luft, nur Gestank, und du kannst weder sitzen noch liegen, und immer wieder das Schreien und die Schüsse, und die ganze Zeit fühlst du dich wie ein Ei, zusammengepreßt wie ein Kaviar-Ei, aber, aber, aber …« Er verstummte, als er den Mullah sah. Tödlicher Schrecken überkam ihn.
»Paknouri«, sagte der Mullah sanft, »dir werden Verbrechen gegen Allah vorgeworfen. Dieser Zeuge gegen dich erklärt …«
»Ja, ja, ich habe gegen Allah gesündigt, ich bin schuldig!« schrie Paknouri. »Warum wäre ich sonst in der Hölle?« In Tränen aufgelöst fiel er auf die Knie. »Es gibt keinen anderen Gott als Allah, nur Allah, keinen Allah, und Mohammed ist sein Prophet von keinem Allah und …« Abrupt verstummte er. Als er aufblickte, war sein Gesicht noch verzerrter. »Ich bin Allah – und du bist der Satan!«
Einer der Beisitzer brach das Schweigen. »Er ist ein Gotteslästerer, er ist vom Satan besessen. Er hat sich für schuldig erklärt. Wie es Allah gefällt.«
Die anderen nickten zustimmend. »Wie es Allah gefällt«, sagte der Mullah. Er winkte einen hezbollahi heran, der Paknouri hochzog und hinausführte. Bakravan folgte seinem Freund mit den Blicken. Er war entsetzt zu sehen, wie schnell – in einer einzigen Nacht – Paknouri zerstört worden war. »Also, Bakravan, Sie haben …«
»Ich habe diesen Turlak draußen«, unterbrach Yusuf den Mullah.
»Gut«, sagte dieser und wandte sich abermals Bakravan zu. Der Bazaari wußte, daß er verloren war, so verloren wie sein Freund Paknouri, und daß das Urteil das gleiche sein würde. Das Blut pochte ihm in den Schläfen. Er sah, wie sich die Lippen des Mullahs bewegten und alle ihn anstarrten. »Bitte?« murmelte er. »Entschuldigen Sie, ich habe nicht gehört, was Sie sagten.«
»Du kannst gehen. Für heute. Tu Allahs Werk.« Ungeduldig warf der Mullah einem der hezbollahis, einem großgewachsenen häßlichen Mann, einen Blick zu. »Führ ihn hinaus, Ahmed.« Und dann zu Yusuf: »Nach Turlak den Polizeihauptmann Mohammed Dezi, Zelle 917.«
Bakravan verspürte ein Zupfen an seinem Arm, drehte sich um und ging hinaus. Im Gang wäre er beinahe gefallen, aber Ahmed fing ihn auf und lehnte ihn, auf seltsame Weise gütig, gegen die Wand.
»Beruhige dich, Exzellenz.«
»Ich … ich kann gehen?«
»Ich bin genauso überrascht wie du, Agha«, sagte der Mann. »Vor Allah und dem Propheten, ich bin genauso überrascht wie du. Du bist heute der erste, den man hat gehen lassen – ob angeklagt oder Zeuge.«
»Könnte ich … könnte ich etwas Wasser haben?«
»Hier haben wir keines. Aber draußen gibt es mehr als genug. Jetzt sollten wir gehen. Stütz dich auf meinen Arm.«
Dankbar hielt sich Bakravan an ihm fest. Er wagte kaum zu atmen, fürchtete, daß alles nur ein Traum sein könnte. Langsam gingen sie den Weg zurück, den er gekommen war. Im Gang, der in den Wartesaal führte, stieß Ahmed mit der Schulter eine Seitentür auf, und sie standen auf einem freien Platz. Hier wartete das Exekutionskommando. Drei Männer waren an Pfosten gebunden. Ein Pfosten war leer. Bakravans Darm und Blase entleerten sich nach ihrem eigenen Willen.
»Bewegung, Ahmed!« rief der Befehlshaber bereits.
»Wie es Allah gefällt«, sagte Ahmed. Beglückt schleifte er Bakravan zu dem leeren Pfosten. Neben ihm delirierte Paknouri, zu seiner eigenen Hölle verdammt. »Du kommst also doch nicht davon, das ist recht so, wir alle haben deine Lügen gehört. Wir alle kennen dich. Wir wissen, wie du versucht hast, dir deinen Weg zum Himmel mit Geschenken für den Imam, Allah schütze ihn, zu erkaufen. Wie hast du denn soviel Geld erworben, wenn nicht durch Wucher und Diebstahl?«
Die Salve traf nicht akkurat. Lässig zog der Befehlshaber seinen Revolver und brachte einen der Verurteilten und dann auch Bakravan zum Schweigen. »Ich hätte ihn nicht wiedererkannt«, wunderte sich der Mann. »Da sieht man wieder, was die Zeitungen alles zusammenlügen.«
»Das ist nicht Hassan Turlak«, sagte Ahmed. »Der kommt als nächster.« Der Mann starrte ihn an. »Und wer ist das?«
»Ein Bazaari. Bazaari sind gottlose Wucherer. Ich weiß das. Ich habe viele Jahre für Farazan gearbeitet und Abtrittsdünger eingesammelt. Wie vor mir mein Vater. Bis ich dann wie Yusuf ein Maurer wurde. Aber der
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