Wirbelsturm
gedient?« fragte der Mullah.
»Ja, er war Abgeordneter«, erwiderte Bakravan. »Aber er hat für die Revolution …«
»Und hat er als Abgeordneter für die sogenannte Weiße Revolution des Schahs gestimmt, die den Moscheen ihren Grundbesitz nahm, die Gleichberechtigung der Frauen dekretierte und gegen die Diktate des heiligen Koran Zivilgerichte einsetzte und das Erziehungswesen dem Staat übertrug.« Natürlich hat er dafür gestimmt, hätte Bakravan herausschreien mögen, während ihm der Schweiß über Gesicht und Rücken tropfte. Natürlich haben wir alle dafür gestimmt! Hat nicht das ganze Volk mit überwältigender Mehrheit dafür gestimmt, einschließlich vieler Mullahs und Ayatollahs? Hat nicht der Schah die Regierung, die Polizei, die Gendarmerie, die SAVAK und die Streitkräfte kontrolliert und das meiste Land besessen? Der Schah war das höchste Gesetz! Dieser verfluchte Schah, dachte er, außer sich vor Wut, verflucht soll er sein und seine Weiße Revolution von 1963, mit der dieser Wahnsinn angefangen hat! Verflucht seine ›modernen‹ Reformen, die den Aufstieg des damals obskuren Ayatollah Khomeini zu einer prominenten Persönlichkeit zur Folge hatten. Haben wir Bazaaris die Ratgeber des Schahs nicht tausendmal gewarnt? Als ob diese Reformen etwas ausgerichtet hätten.
»Ja oder nein?«
Er schreckte aus seinen Träumen auf und verwünschte sich. Konzentrier dich! dachte er in Panik. Dieser aussätzige Hundesohn will dich in eine Falle locken! Was hat er gefragt? Sei vorsichtig. Es könnte auch um dein eigenes Leben gehen. Ach ja, die Weiße Revolution!
»Emir Pak.«
»Im Namen Allahs, ja oder nein?« fuhr ihn der Mullah an.
»Er … ja … als Abgeordneter in der Madschlis hat er für die Weiße Revolution gestimmt.«
Der Mullah holte tief Atem, und die jungen Beisitzer räkelten sich auf ihren Stühlen.
»Bist du Abgeordneter?«
»Nein. Ich habe mein Mandat zurückgelegt, als Ayatollah Khomeini es anordnete.«
»Du meinst wohl, als Imam Khomeini es anordnete?«
»Ja, ja«, sagte Bakravan in höchster Verwirrung. »Ich habe es sofort zurückgelegt, sofort, als der Imam es befahl.« Aber er fügte nicht hinzu: Wir haben alle Paknouris Rat befolgt und sind zurückgetreten, als schon sicher war, daß der Schah das Land verlassen und die Macht an den gemäßigten und vernünftigen Ministerpräsidenten Bachtiar abgehen würde. Aber nicht damit ein Khomeini die Macht an sich reißen konnte, hätte er hinausschreien mögen, so war es nicht geplant! Verflucht sollen die Amerikaner sein, die uns verkauft haben, die Generäle, die uns verkauft haben, und der Schah, der an allem die Schuld trägt! »Das wissen alle, wie ich den Imam unterstützt habe. Allah schenke ihm ewiges Leben!«
»Allahs Segen möge auf ihm ruhen«, beteten der Mullah und seine Beisitzer nach. »Und du, Jared Bakravan aus dem Basar. Hast du jemals Wucher getrieben?«
»Niemals«, antwortete Bakravan sofort und glaubte es auch, obwohl ihn würgende Angst befiel. Mein ganzes Leben habe ich Geld verliehen, aber immer zu vernünftigen und maßvollen Zinsen, dachte er, nie war es Wucher. Und wie oft habe ich als Ratgeber verschiedener Persönlichkeiten und Minister fungiert, habe Darlehen, private und öffentliche, vermittelt, Gelder aus dem Iran transferiert, private und öffentliche, und damit Geld verdient, viel Geld. Das waren gesunde Geschäfte und immer im Rahmen der Gesetze. »Ich habe dem Schah und seiner Weißen Revolution entgegengearbeitet, wo ich konnte … Es war allgemein bekannt, daß ich …«
»Der Schah hat Verbrechen gegen Allah, gegen den Islam, gegen den heiligen Koran, gegen den Imam – Allah schütze ihn – und gegen den schiitischen Glauben begangen. Alle, die ihm dabei geholfen haben, sind gleichermaßen schuldig.« Der Blick des Mullahs ließ keine Nachsicht erkennen. »Welche Verbrechen hast du gegen Allah und das Wort Allahs begangen?«
»Keine!« rief er schon fast erschöpft. »In Allahs Namen, ich schwöre, keine!« Die Tür ging auf. Yusuf kam mit Paknouri ins Zimmer. Beinahe wäre Bakravan wieder in Ohnmacht gefallen. Man hatte Paknouri die Hände auf den Rücken gefesselt. Kot und Urin befleckten seine Hose. Erbrochenes klebte auf seiner Jacke. Sein Kopf zuckte unkontrolliert, das Haar war verfilzt. Er hatte den Verstand verloren. Als er Bakravan sah, verzerrte sich sein Gesicht zu einer Grimasse. »Ach, Jared, alter Freund, alter Freund und Kollege, bist du auch zu uns in die Hölle
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