Wirbelsturm
auch diese Männer sind Richter. Das Gericht läßt sich in seinen Entscheidungen vom Wort Allahs und dem Heiligen Buch leiten.« Die Stimme des Mullahs klang rauh. »Du kennst diesen Paknouri, den man auch Geizkragen Paknouri nennt?«
»Ja, aber wenn ich das sagen darf, Exzellenz: nach unserer Verfassung und dem alten Bazaari-Gesetz …«
»Beantworte die Frage «, unterbrach ihn einer der jungen Richter. »Wir haben keine Zeit, um uns lange Reden anzuhören. Kennst du ihn oder kennst du ihn nicht?«
»Ja, ja, selbstverständlich …«
»Exzellenz Uwari«, unterbrach nun Yusuf, der an der Tür stand, »wen wollt Ihr als nächstes sehen?«
»Paknouri und dann …«, blinzelnd studierte der Mullah die Namensliste. »Dann den Polizei-Sergeant Jufrudi.«
Einer seiner Beisitzer mischte sich ein. »Der Hund wurde gestern abend von unserem zweiten Revolutionären Gericht verurteilt und heute morgen erschossen.«
»Wie es Allah gefällt.« Der Mullah strich diesen Namen aus. Alle Namen vor diesem waren gestrichen. »Dann bring Hassan Turlak, Zelle 573.«
Fast hätte Bakravan aufgeschrieen. Turlak war ein höchst angesehener Journalist und Schriftsteller, halb Iraner und halb Afghane, ein mutiger und konsequenter Kritiker des Schah-Regimes, der wegen seiner Einstellung sogar einige Jahre im Gefängnis verbracht hatte.
Der unrasierte junge Richter neben dem Mullah kratzte sich ärgerlich im Gesicht. »Wer ist Turlak, Exzellenz?«
Der Mullah las von seiner Liste ab. »Ein Zeitungsschreiber.«
»Ist doch eine Zeitverschwendung, wenn wir ihn anhören«, sagte ein anderer. »Natürlich ist er schuldig. War das nicht er, der behauptete, das Wort könnte sich verändern, die Worte des Propheten träfen für unsere Zeit nicht mehr zu? Er ist schuldig, natürlich ist er schuldig.«
»Wie es Allah gefällt.« Der Mullah wandte seine Aufmerksamkeit wieder Bakravan zu. »Paknouri. Hat er jemals Wucher getrieben?«
»Nein. Niemals. Und er …«
»Hat er Geld gegen Zinsen verliehen?«
Bakravans Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Er sah die kalten schwarzen Augen und bemühte sich verzweifelt, einen klaren Kopf zu behalten. »Ja, aber in einer modernen Gesellschaft …«
»Steht es nicht deutlich im heiligen Koran geschrieben, daß Geldverleih gegen Zinsen Wucher ist und somit gegen Allahs Gesetze verstößt?«
»Ja. Wucher ist gegen die Gesetze Allahs, aber in der modernen Gesellschaft …«
»Der heilige Koran ist ohne Makel. Das Wort ist klar und ohne Zweifel. Wucher ist Wucher. Gesetz ist Gesetz.« Der verklärte Blick des Mullahs wurde wieder kalt. »Hältst du das Gesetz ein? Praktizierst du die fünf Säulen des Islam?« Das waren die Grundpflichten aller Moslems: das Aufsagen der Schahada; das fünfmal tägliche Gebet; die freiwillige Abgabe einer jährlichen Steuer, des Zakat; das Fasten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang im heiligen Monat Ramadan; und schließlich einmal im Leben der Haddsch, die Pilgerfahrt nach Mekka.
»Ja, ja, gewiß … nur die Pilgerfahrt habe ich noch nicht gemacht … noch nicht.«
»Und warum nicht? Du hast mehr Geld als ein Misthaufen Fliegen. Mit deinem Geld hättest du dir eine jede Flugmaschine leisten können. Also warum nicht?«
»Es ist … meine Gesundheit«, antwortete Bakravan mit gesenkten Augen und hoffte zu Allah, daß seine Lüge überzeugend klang. »Ich habe ein schwaches Herz.«
»Wann warst du zum letzten Mal in der Moschee?« fragte der Mullah.
»Letzten Freitag in der Moschee im Basar«, antwortete er. Er war tatsächlich in der Moschee gewesen, wenn auch nicht, um zu beten, sondern um dort eine geschäftliche Besprechung abzuhalten.
»Dieser Paknouri. Praktiziert er die fünf Säulen, wie ein Rechtgläubiger es tun muß?«
»Ich … ich glaube schon.«
»Es ist doch allgemein bekannt, daß er es nicht getan hat, und daß er den Schah unterstützt hat. Also?«
»Er war ein Patriot, ein Patriot, der die Revolution finanziell unterstützt hat und Ayatollah Khomeini, Allah möge ihn schützen, die Mullahs finanziell unterstützt hat und …«
»Aber er hat amerikanisch gesprochen und für die Amerikaner und den Schah gearbeitet und ihnen geholfen, unser Land, unsere Bodenschätze auszubeuten, nicht wahr?«
»Er war ein Patriot, der mit den Fremden zum Wohl des Irans zusammengearbeitet hat.«
»Als der Satan Schah gesetzwidrig seine Partei gründete, ist Paknouri ihr nicht beigetreten, hat er dem Schah nicht als Abgeordneter in der Madschlis
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