Wirbelsturm
werde ich meine Frau sehen.«
»Du wirst sie sehen, wenn ich …«
Abdullah Khan brach ab, als sich der ältere Mann wieder vorbeugte, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. »Ja, du wirst sie heute abend sehen, heute und jeden zweiten Abend. Immer vorausgesetzt …« Er beendete den Satz nicht. Erikki machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Saal.
Nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, ließ die Spannung nach. Der ältere Mann kicherte. »Sie waren großartig, Hoheit. Großartig wie immer.«
Abdullah Khan legte die Hand auf seine linke Schulter. Der Schmerz in seinen arthritischen Gelenken ärgerte ihn. »Er wird gehorchen, Pjotr«, sagte er, »aber nur, solange ich meine ungehorsame und undankbare Tochter in meiner Macht habe.«
»Töchter sind immer schwierig«, meinte Pjotr Oleg Mzytryk aus Tiflis nördlich der Grenze.
»Das stimmt nicht, Pjotr. Die anderen gehorchen und machen mir keinen Ärger. Nur die … Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie wütend sie mich macht.«
»Dann schicken Sie sie doch fort, sobald der Finne getan hat, was von ihm verlangt wird! Schicken Sie beide fort!« Die Fältchen um die slawisch geschnittenen Augen verzogen sich zu einem Lächeln. »Wenn ich 30 Jahre jünger und sie noch frei wäre, würde ich darum bitten, sie Ihnen abnehmen zu dürfen.«
»Hätten Sie mich gefragt, bevor dieser Verrückte hier aufkreuzte, ich wäre gern bereit gewesen, sie Ihnen zu überlassen«, entgegnete Abdullah Khan verdrießlich. »Ich bedaure es, sie ihm gegeben zu haben. Ich dachte, sie würde auch ihn verrückt machen – und ich bedaure, daß ich vor Allah geschworen habe, ihn am Leben zu lassen. Es war ein Augenblick der Schwäche.«
»Nicht unbedingt. Es ist gelegentlich von Vorteil, Großmut zu zeigen. Er hat Ihnen ja schließlich das Leben gerettet.«
»Inscha'Allah! Das war Allahs Wille – er war nur das Werkzeug.«
»Selbstverständlich«, versuchte Mzytryk ihn zu beruhigen. »Selbstverständlich.«
»Der Mann ist ein Teufel, ein gottloser Teufel. Wenn meine Leibwächter nicht hier gewesen wären, wir hätten um unser Leben kämpfen müssen – Sie haben es ja selbst gesehen. Aber mit Allahs Hilfe werden sie bald beide in der Hölle schmoren«, schimpfte der Khan, der sich immer noch darüber ärgerte, daß er, um Pjotr Oleg Mzytryk auszuhelfen, Erikki am Leben lassen mußte, anstatt ihn diesem linken Mullah zu überlassen und ihn für immer los zu sein. Dieser Mullah Mahmud, einer der Führer der islamitisch-marxistischen Mudjaheddins in Täbris, die den Stützpunkt angegriffen hatten, war vor zwei Tagen zu ihm gekommen, um ihm über das Geschehen bei der Straßensperre zu berichten. »Hier sind als Beweis ihre Papiere«, hatte der Mullah grimmig gesagt. »Sowie er nach Täbris zurückkehrt, stellen wir ihn vor unser Komitee, verurteilen ihn, bringen ihn nach Qazvin und richten ihn hin.«
»Beim Propheten, das werdet ihr nicht tun, solange ich nicht zustimme«, hatte er ihn gebieterisch angeschnauzt und die Papiere an sich genommen. »Dieser Hund von einem Fremden ist mit meiner Tochter verheiratet und steht unter meinem Schutz. Und wenn ihr ihm auch nur ein stinkendes rotes Haar krümmt oder ihm ohne meine Billigung auf der Basis Schwierigkeiten macht, entziehe ich euch meine Unterstützung – und dann wird die hezbollahis nichts daran hindern, euch Linke in Täbris auszuradieren. Ihr bekommt ihn, wenn es mir, nicht wenn es euch paßt.«
Der Mullah war verdrießlich abgezogen, und Abdullah hatte Mahmud unverzüglich auf seine Terminliste gesetzt. Als er dann die Papiere sorgfältig untersuchte, Azadehs Paß und ihren Ausweis und andere Dokumente fand, war er entzückt: Damit hatte er jetzt ein zusätzliches Druckmittel gegen sie und ihren Mann in der Hand.
Ja, dachte er jetzt, sie wird alles tun, was ich von ihr verlange. »Wie es Allah gefällt, aber sie könnte schon sehr bald eine Witwe sein.«
»Nicht zu bald, wollen wir hoffen.« Mzytryks Lachen war ansteckend. »Nicht bevor ihr Gatte seinen Auftrag ausgeführt hat.«
Die Anwesenheit dieses Mannes und sein weiser Rat wärmten Abdullah Khans Herz. Es freute ihn, daß Mzytryk tun wollte, was er von ihm erwartete. Aber wenn ich, wenn Aserbeidschan überleben will, werde ich ein noch besserer Puppenspieler sein müssen als je zuvor, dachte er.
Die Lage in Täbris und in der ganzen Provinz war zur Zeit überaus heikel. Es gab Aufstände aller Art, Fraktionen kämpften gegen Fraktionen, und Zehntausende
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