Wirbelsturm
von Sowjetsoldaten standen einsatzbereit jenseits der Grenze. Der Iran darf ihnen nicht wie ein fauler Apfel in die Hand fallen, dachte er. Und mit dem Iran der Golf, das Öl der Welt, und die Straße von Hormus. Er hätte vor Wut aufheulen mögen. Dieser verdammte Schah, der nicht zuhören und nicht warten wollte und es vor 20 Jahren verabsäumte, eine unbedeutende, von Mullahs angezettelte Rebellion niederzuschlagen und Ayatollah Khomeini zum Teufel zu jagen, wie ich es ihm geraten habe. Es ging uns so gut: Die Vereinigten Staaten fraßen uns aus der Hand, drängten uns ihre modernsten Waffen auf, flehten uns an, am Golf für Ruhe und Ordnung zu sorgen, die Araber an die Kandare zu nehmen, ihr Öl zu vereinnahmen, Vasallen aus ihnen und ihren kleinen sunnitischen Scheichtümern zu machen. Wir hätten Kuwait in einem Tag, den Irak in einer Woche überrennen können, und die Saudis und die Scheiche der Emirate wären in die Wüste geflohen und hätten um Gnade gebettelt. So nahe daran waren wir, die Schiiten des Iran, Allahs Willen zu erfüllen – wir mit unserer größeren Intelligenz, unserer alten Geschichte, unserem Öl und der Straße von Hormus. So nahe daran, die Fahne des Propheten in Jerusalem und Mekka aufzupflanzen.
Wir waren nahe daran, die ersten auf Erden zu sein, wie es unser Recht ist. Nun ist alles in Gefahr – und das wegen eines einzigen Mannes. Inscha'Allah, dachte er, und damit legte sich sein Zorn ein wenig. Und dennoch: Wäre Mzytryk nicht bei ihm gewesen, er hätte getobt und gewütet und den nächstbesten geschlagen. Aber der Mann war da, man mußte sich mit ihm befassen, und so bezähmte er seinen Zorn und überlegte seinen nächsten Schritt. Seine Finger griffen nach dem letzten Halvah-Würfel, um ihn in den Mund zu stecken.
»Würden Sie Azadeh gern heiraten, Pjotr?«
»Würden Sie denn mich, der ich älter bin als Sie, Hoheit, zum Schwiegersohn haben wollen?« gab der Mann mit gespielter Mißbilligung lachend zurück.
»Wenn es Allahs Wille wäre«, erwiderte Abdullah Khan mit genau dem richtigen Maß an Aufmerksamkeit und lächelte in sich hinein, weil er das plötzliche Licht in den Augen seines Freundes hatte aufblitzen sehen. So, so, dachte er, du siehst sie zum erstenmal und möchtest sie schon haben. Wenn ich sie dir nun wirklich gebe, sobald das Monstrum erledigt ist, was könnte dabei für mich herausspringen? Vielerlei? Du bist akzeptabel, du bist mächtig, es wäre politisch ein geschickter Schachzug, und du würdest sie zur Vernunft bringen und ihr die Flausen austreiben – du würdest sie nicht wie der Finne behandeln, der vor ihr herumscharwenzelt. Du wärst ein Werkzeug meiner Rache. Es gäbe viele Vorteile …
Vor drei Jahren hatte Pjotr Oleg Mzytryk die riesige Datscha und die Ländereien übernommen, die Eigentum seines Vaters gewesen waren – auch er ein alter Freund der Gorgons. Der Besitz lag in der Nähe von Tiflis, wo die Gorgons seit Generationen große geschäftliche Interessen hatten. Seit damals stand Abdullah Khan auf vertrautem Fuß mit Pjotr, und er hatte sich auf Geschäftsreisen häufig in dessen Datscha aufgehalten. Pjotr Oleg war ein verschlossener Mann, der kaum etwas von sich preisgab, doch war er hilfsbereit und liebenswürdig – und mächtiger als jeder Sowjetbürger, den Abdullah kannte. Er war Witwer mit einer verheirateten Tochter, einem Sohn hei der Marine, hatte Enkelkinder und nicht gerade alltägliche Gewohnheiten. Er lebte allein in der riesigen Datscha, allein bis auf die Dienerschaft und eine seltsam schöne, seltsam aggressive Eurasierin namens Wertinskaja. Sie war Ende 30, und er hatte sie ihm in all der Zeit nur zweimal vorgeführt – fast wie einen einzigartigen privaten Schatz. Sie schien zum Teil seine Sklavin, seine Gefangene, seine Trinkgefährtin, seine Hure, sein Quälgeist und seine Wildkatze zu sein. »Warum bringen Sie sie nicht einfach um, Pjotr?« hatte er gefragt, als einmal ein wütender, erbitterter Streit ausgebrochen war und Mzytryk sie windelweich prügelte. Die Frau hatte gespuckt und geflucht und um sich geschlagen, bis es zwei Dienern endlich gelungen war, sie fortzuschaffen.
»Nein, noch nicht«, hatte Mzytryk gesagt. »Sie ist viel, viel zu wertvoll.« Seine Hände hatten dabei gezittert.
»Ach ja, ich verstehe«, hatte Abdullah Khan gesagt, der auch erregt war, weil er ähnliche Gefühle gegenüber Azadeh empfand: das Widerstreben, sich eines solchen Wertobjekts zu entledigen, bevor es wahrhaftig
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