Wirbelsturm
dem Hinterhalt, bei dem Vien Rosemont und Tenzing getötet wurden, entkleideten er und Gueng einige ihrer Angreifer und zogen sich ihre Gewänder über die Uniformen. Er dachte zuerst sogar daran, die Uniformen überhaupt loszuwerden, gab den Gedanken dann aber doch wieder auf. »Wenn wir erwischt werden, werden wir erwischt, und das ist dann eben das Ende.«
Gueng lachte. »Darum sollten Sie jetzt schnell ein guter Hindu werden. Wenn man uns dann tötet, ist es kein Ende, sondern ein Anfang.«
»Wie mache ich das, Gueng? Wie wird man ein Hindu?« Er lächelte ironisch, als er an den verdutzten Ausdruck auf Guengs Gesicht zurückdachte. Dann hatten sie die Leichen Vien Rosemonts und Tenzings gesäubert und nebeneinander im Schnee liegenlassen, wie es der alte Brauch verlangte: »Dieser Körper hat keinen Wert mehr für den Geist und wird daher wegen der Unabänderlichkeit der Wiedergeburt den Tieren und Vögeln überlassen, denn auch sie sind Geister, die in ihrem eigenen Karma dem Nirwana zustreben – dem Ort des himmlischen Friedens.«
Am nächsten Morgen hatten sie die Männer erspäht, die so gnadenlos hinter ihnen her waren. Als sie von den Bergen herunter und in die Vorstädte von Täbris kamen, waren die Verfolger nur mehr eine halbe Meile hinter ihnen. Nur ihre Verkleidung hatte sie gerettet; da auch viele Eingeborene blaue Augen hatten, so groß und ebenso gut bewaffnet waren wie Ross, konnten sie in der Menge untertauchen. Das Glück blieb ihnen treu, und so fand er sehr bald den Hintereingang der schmutzigen kleinen Autowerkstatt. Als er Vien Rosemonts Namen nannte, nahm der Mann sie auf und versteckte sie, und schon am gleichen Abend erschien Abdullah mit seinem Wächter, sehr feindselig und mißtrauisch. »Wer hat Ihnen geraten, nach mir zu fragen?«
»Vien Rosemont. Er hat uns auch diese Werkstatt genannt.«
»Wer ist dieser Rosemont? Wo ist er jetzt?«
Ross hatte ihm berichtet, was im Hinterhalt geschehen war.
»Wie soll ich wissen, daß Sie mir die Wahrheit sagen? Wer sind Sie?«
»Bevor Vien starb, bat er mich, Ihnen eine Botschaft zu übermitteln. Er redete irre und hatte einen schweren Tod, aber er ließ es mich dreimal wiederholen, um sicherzugehen. Und das waren seine Worte: ›Sag Abdullah Khan, daß Pjotr hinter dem Haupt des Gorgonen her ist. Pjotrs Sohn ist noch gefährlicher als Pjotr. Der Sohn spielt mit Kordeln, und das tut auch der Vater, der versuchen wird, sich einer Medusa zu bedienen, um den Gorgonen zu fangen.‹« Die Augen des Khans leuchteten auf, aber nicht freudig. »Es hat also eine Bedeutung für Sie?«
»Ja. Es bedeutet, daß Sie Vien kennen. Vien ist also tot. Wie es Allah gefällt, aber es ist schade um ihn. Vien war gut, sehr gut, und ein großer Patriot. Wer sind Sie? Was war Ihre Mission? Was hat Sie in unsere Berge gebracht?« Wieder zögerte Ross. Armstrong hatte ihm geraten, diesem Mann nicht allzu sehr zu vertrauen. Rosemont aber, dem er geglaubt hatte, war noch knapp vor seinem Tod ganz anderer Meinung gewesen: »Du kannst diesem alten Bastard dein Leben anvertrauen. Ich habe es ein halbes dutzendmal getan, und er hat mich nie enttäuscht. Geh zu ihm. Er wird dich rausholen.«
Abdullah Khan lächelte, doch sein Mund blieb dabei genauso hart wie seine Augen. »Sie können mir vertrauen – ich fürchte sogar, das müssen Sie.«
»Ja.« Aber nicht allzu sehr, fügte er in Gedanken hinzu. Er haßte das Wort, das er nun aussprechen mußte. Millionen von Menschen hatte es das Leben gekostet und noch mehr Millionen ihre Freiheit: »Ich sollte den Sabalan neutralisieren«, antwortete er und berichtete, was dort vorgefallen war. »Allah sei Lob und Dank! Ich werde Wesson und Talbot sofort informieren.«
»Wen?«
»Ist nicht wichtig. Ich bringe Sie nach Süden. Kommen Sie jetzt, hier ist es nicht sicher – in der ganzen Stadt wird Zeter und Mordio geschrieen, eine Belohnung ist ausgesetzt für die Gefangennahme von ›zwei britischen Saboteuren, Feinden des Islam‹. Wer sind Sie?«
»Mein Name ist Ross, Captain Ross, und das ist Sergeant Gueng. Wer waren diese Leute, die uns gejagt haben? Iraner? Oder Sowjets?«
»Hier in meinem Aserbeidschan operieren die Sowjets nicht so offen – noch nicht.« Die Lippen des Khans verzogen sich zu einem kühlen Lächeln. »Ich habe draußen einen Kombi stehen. Steigen Sie schnell ein und legen Sie sich auf den Boden. Ich werde Sie verstecken und Sie, sobald es sicher ist, nach Teheran zurückbringen – aber Sie
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