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Wirbelsturm

Wirbelsturm

Titel: Wirbelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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schmiegte sich an ihn und küßte ihn. »Ich liebe dich, Geliebter.«
    »Ich liebe dich auch, Geliebte.«
    Nach einer Weile sagte sie mit gepreßter Stimme: »Ich glaube, ich weiß, was mich in diesen Zustand versetzt hat. Als ich gestern – oder war es vorgestern? – Vater sah … tot … kam er mir so klein vor … Mit den vielen Löchern in seinem Gesicht, in seinem Kopf … Ich hatte ihn nicht so klein in Erinnerung … Sie haben ihn so klein gemacht, sie haben ihn …«
    »Nicht!« sagte er sanft und sah die Tränen in ihren Augen. »Inscha'Allah. Denk nicht daran!«
    »Gewiß, mein Gemahl, wenn du es wünschst«, erwiderte sie sogleich förmlich auf Persisch. »Selbstverständlich ist alles, wie Allah es will, aber für mich ist es wichtig, mit dir darüber zu sprechen, die Schande von mir zu nehmen, daß du mich so angetroffen hast … Ich würde es dir gern eines Tages erzählen.«
    »Dann erzähl es mir jetzt, Scharazad, und dann können wir es für immer vergessen. Bitte erzähl es mir jetzt!«
    »Sie haben dem Mann, der nach dir der wichtigste Mann in meiner Welt war, seine Bedeutung genommen. Haben ihn zu einem unbedeutenden Menschen gemacht. Grundlos. Er war immer gegen den Schah und ein begeisterter Parteigänger dieses Mullah Khomeini.« Ganz ruhig sagte sie Mullah und nicht Ayatollah oder Imam oder farmandeh. »Grundlos und ohne Prozeß haben sie meinen Vater ermordet und ihn klein gemacht; sie haben ihm alles genommen, was er als Mann, als Vater, als geliebter Vater, besessen hat. Wie Allah will, soll ich sagen, und ich werde es versuchen. Aber ich kann nicht glauben, daß es Allahs Wille war. Vielleicht war es Khomeinis Wille. Ich weiß es nicht. Aber wir Frauen werden es bald erfahren.«
    »Was meinst du damit?«
    »In drei Tagen werden sich die Frauen zu einem Protestmarsch versammeln – alle Frauen Teherans.«
    »Gegen was wollt ihr protestieren?«
    »Gegen Khomeini und die Mullahs, die den Frauen ihre Rechte nehmen. Wenn sie sehen, wie wir ohne Tschador marschieren, werden sie sich das überlegen.«
    Halb hörte Lochart ihr zu, halb erinnerte er sich, wie sie noch vor wenigen Tagen mit sich zufrieden gewesen war, glücklich darüber, daß sie nur eine Ehefrau und keine ›Progressive‹ wie Azadeh war. Er sah ihre Augen und ihre Entschlossenheit. »Ich möchte nicht, daß du an dieser Demonstration teilnimmst.«
    »Gewiß, mein Gemahl. Aber jede Frau in Teheran wird marschieren, und du wirst mich doch im Gedenken an meinen Vater nicht beschämen wollen – würdest du vor den Vertretern seiner Mörder stumm bleiben?«
    »Es ist eine reine Zeitverschwendung«, argumentierte Lochart und wußte, daß er verlieren würde. »Und wenn alle Frauen des Iran oder in allen Ländern des Islam an einem Protestmarsch teilnehmen würden, es hätte auf Khomeini überhaupt keine Wirkung. In seinem islamischen Staat werden die Frauen nur sein, was ihnen der Koran zubilligt. Er ist unbeugsam – und das ist seine Stärke.«
    »Du hast natürlich recht, aber wir marschieren, um zu protestieren, und dann wird ihm Allah die Augen öffnen und ihm alles klarmachen. Es soll sein, wie es Allah gefällt, nicht wie es Khomeini gefällt.«
    Er nahm sie in die Arme. Mit Marschieren ist nichts getan, dachte er. O Scharazad, es gibt so viel zu sagen, zu berichten, zu entscheiden, aber jetzt ist nicht die Zeit dazu. Da sind Zagros und die 212, die überführt werden muß. Dann ist nur noch Mac da, um den Kopf hinzuhalten. Was wäre, wenn ich ihn auch mitnehmen würde? Das ginge natürlich nur mit Gewalt. »Ich muß ein Flugzeug überführen«, sagte er, »eine 212 nach Nigeria. Würdest du mitkommen?«
    »Selbstverständlich, Tommy. Wie lange würden wir fortbleiben?«
    Er zögerte. »Ein paar Wochen, vielleicht auch länger.« Er fühlte, wie sie sich kaum merklich in seinen Armen regte. »Wann würdest du starten wollen?«
    »Sehr bald. Vielleicht morgen.«
    Ohne sich zu bewegen, entzog sie sich seiner Umarmung. »Es wäre mir nicht möglich, Mutter in nächster Zeit allein zu lassen. Sie hat sich ganz in ihren Kummer vergraben, und wenn ich fortginge, hätte ich keine ruhige Minute. Auch darf ich den armen Meschang nicht vergessen. Er muß die Geschäfte führen, er braucht Hilfe. Es gibt so viel zu tun, so viele Dinge, um die man sich kümmern muß.«
    »Weißt du schon vom Konfiskationsbescheid?«
    »Von was für einem Bescheid?«
    Er erzählte es ihr. Wieder hatte sie Tränen in den Augen. »Dann haben wir

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