Wirbelsturm
müssen sich meinen Anweisungen fügen. Kein Wenn und Aber.«
Das war vor zwei Tagen gewesen, doch die Ankunft der fremden Sowjets und die Landung des Hubschraubers hatte alles verändert. Der Mond verschwand hinter einer Wolke, und Ross berührte Gueng an der Schulter. Der kleine Mann verschwand im Obstgarten. Als das verabredete Signal aus der Nacht kam, folgte er ihm. Unbemerkt erreichten sie die Ecke des Nordflügels des Palasts. Es waren weder Wächter noch Wachhunde zu sehen.
Es fiel ihnen nicht schwer, die Balustrade zur Galerie des ersten Stockwerks zu erklimmen. Gueng war als erster oben. Er eilte an einer Flucht verschlossener und dunkler Fenster vorbei zu einer Treppe, die zur nächsten Galerie hinaufführte. Während er oben wartete, versuchte er sich zu orientieren. Sobald Ross neben ihm stand, deutete er auf die Fensterreihe im zweiten Stock und nahm sein kookri heraus, aber Ross schüttelte den Kopf und wies auf eine tief im Schatten liegende Seitentür. Er drückte auf die Klinke. Die Tür quietschte. Im Obstgarten stoben laut kreischend ein paar Nachtvögel auf. Beide Männer versuchten zu erkennen, woher die Vögel kamen, erwarteten jeden Augenblick, einen Wächter auftauchen zu sehen. Nichts. Noch einen Augenblick, um sicher zu sein, dann setzte Ross als erster den Fuß ins Innere. Es war ein langer Gang, viele Türen zu beiden Seiten, im Süden einige Fenster. Vor der zweiten Tür blieb er stehen. Sie öffnete sich lautlos, und die beiden Männer traten rasch über die Schwelle. Sie schienen sich in einem Vorraum zu befinden – Teppiche, Liegepolster, altmodische viktorianische Möbel und Sofas. Ross öffnete die Tür, die dem Hauseck am nächsten lag, und trat ein. Die Vorhänge waren zugezogen, aber durch einen Spalt fiel Mondlicht ins Zimmer. Deutlich konnte er das Bett sehen und den Mann, den er suchte – und die Frau, die an seiner Seite schlief. Es war der richtige Mann, aber er hatte keine Frau erwartet. Behutsam schloß Gueng die Tür. Ohne zu zögern, traten sie an beide Seiten des Bettes. Ross übernahm den Mann, und Gueng die Frau. Gleichzeitig hielten sie den Schlafenden zu einem Knäuel gebauschte Taschentücher vor den Mund, wobei sie gerade genug Druck ausübten, um sie am Schreien zu hindern.
»Wir sind Freunde, Pilot, bitte schreien Sie nicht«, wisperte Ross Erikki ins Ohr. Er kannte weder seinen Namen noch den der Frau, wußte nur, daß er der Pilot war. »Ich werde Sie freigeben, aber schreien Sie nicht. Wir sind Freunde, Engländer. Englische Soldaten. Nicken Sie, wenn Sie wach sind und mich verstanden haben.«
Er wartete, bis der große Mann nickte. »Halt ihr den Mund zu, Gueng, bis wir uns hier einig sind«, sagte er leise auf Nepalesisch, und dann zu Erikki: »Keine Angst, Pilot, wir sind Freunde.«
Er lockerte den Druck und sprang aus dem Weg, als Erikki auf ihn losfuhr und sich dann im Bett herumdrehte, um Gueng zu fassen – und jäh innehielt. Das Mondlicht glitzerte auf dem Messer an ihrer Kehle. Azadehs Augen standen weit offen, und sie war vor Angst wie gelähmt.
»Nicht! Lassen Sie sie …«, zischte Erikki in panischer Angst. Er sprach Russisch, da er Gueng seiner asiatischen Gesichtszüge wegen für einen von Cimtargas Männern hielt. »Was wollen Sie?«
»Sprechen Sie Englisch. Sie sind doch Engländer, nicht wahr?«
»Nein, ich bin Finne. Was zum Teufel wollen Sie von uns?«
»Tut mir leid, daß ich Sie so unsanft wecken mußte«, antwortete Ross eilig und kam ein wenig näher. »Aber ich mußte mit Ihnen sprechen. Es ist sehr wichtig.«
»Sagen Sie diesem Bastard, er soll aufhören, meine Frau zu bedrohen! Sofort!«
»Ihre Frau? O ja … selbstverständlich, tut mir leid. Sie … sie wird nicht schreien? Bitte sagen Sie ihr, sie soll nicht schreien.« Er sah, wie sich dieser Riese von einem Mann der Frau zuwandte, die regungslos unter der Decke lag und wie gebannt auf das Messer starrte. Seine Stimme klang sanft und beruhigend, aber er sprach weder Englisch noch Persisch. Dann richtete Erikki den Blick wieder auf Ross.
»Sagen Sie ihm, er soll meine Frau in Frieden lassen«, sagte Erikki auf Englisch. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. »Sie wird nicht schreien.«
»Was haben Sie ihr gesagt? Ist das Russisch?«
»Ja, das ist Russisch, und ich sagte: ›Dieser Bastard wird dich in wenigen Sekunden freigeben, schrei nicht. Schrei nicht, schrei nicht auf, schieb dich nur hinter mich, ganz langsam. Tu nichts, solange ich nicht den
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