Wirbelsturm
trauen.«
»Gewiß, Erikki. Aber mein Vater traut niemandem. Wenn Vater ein doppeltes Spiel treibt, wie Johnny vermutet, kann man nicht wissen, was er tun wird. Wer hat dir denn diese Botschaft für ihn gegeben?«
»Ein CIA-Agent. Er meinte, ich könnte deinem Vater mein Leben anvertrauen.«
»Ich wußte schon immer, daß die CIA-Agenten verrückt sind«, warf Erikki grimmig ein.
Wieder trat Stille ein, beklemmender als zuvor. Der Mond zog sich hinter eine Wolkenbank, und sein Licht verblaßte. Gueng spürte die zunehmende Unruhe und flehte im stillen alle Götter an, sie vor Medusa, der heidnischen Teufelin mit dem Schlangenhaar, zu bewahren, von der ihm die Missionare in der Schule in Nepal erzählt hatten. Plötzlich registrierte sein sechster Sinn die drohende Gefahr; er stieß eine Warnung aus, eilte ans Fenster und spähte hinaus. Zwei bewaffnete Wächter mit einem Dobermannpinscher an der Leine kamen die gegenüberliegende Treppe herauf.
Auch die anderen Männer standen starr. Sie hörten die Wächter über die Terrasse tappen. Der Hund schnupperte und zerrte an der Leine. Die Männer öffneten die äußere Tür und betraten das Gebäude.
Gedämpfte Stimmen vor der Schlafzimmertür und das Schnuppern des Hundes. Mit gezückten kookris zogen sich Gueng und Ross in die Ecke zurück. Nach einer kleinen Weile gingen die Wächter den Gang hinunter, verließen wieder das Haus und stiegen die Treppe hinab.
Azadeh rückte nervös herum. »Sie kommen sonst nie hierher.«
»Vielleicht haben sie uns heraufkommen gesehen«, flüsterte Ross. »Wir sollten jetzt besser gehen. Wenn ihr Schüsse hört – ihr kennt uns nicht. Wenn wir morgen noch frei sind, könnten wir herkommen – sagen wir, kurz nach Mitternacht? Vielleicht können wir uns einen Plan ausdenken.«
»Ja. Aber kommen Sie früher. Cimtarga hat mich wissen lassen, daß wir möglicherweise schon vor Tagesanbruch losfliegen müssen. Kommen Sie gegen elf. Es wäre besser, wenn wir uns mehrere Pläne ausdenken könnten. Es wird schwer sein, von hier wegzukommen. Sehr, sehr schwer.«
»Wie lange werden Sie noch für die Leute arbeiten müssen?«
»Das weiß ich nicht. Vielleicht drei oder vier Tage.«
»Gut. Wenn wir nicht kommen – vergessen Sie uns. Okay?«
»Gott schütze dich, Johnny«, sagte Azadeh besorgt. »Du darfst meinem Vater nicht trauen. Du darfst nicht zulassen, daß er … oder sie … euch zu fassen bekommen.«
Ross lächelte, und sein Lächeln erhellte den Raum, selbst für Erikki. »Kein Problem – und viel Glück für uns alle!« Er verabschiedete sich mit einer sorglosen Handbewegung und öffnete die Tür. Wenige Sekunden später waren er und Gueng so lautlos gegangen, wie sie gekommen waren. Durch das Fenster sah Erikki ihnen nach. Schattengleich eilten sie die Treppe hinunter. Azadeh stand neben ihm, einen Kopf kleiner als er, den Arm um seine Hüfte. Sie erwarteten Schreie und Schüsse, aber die Nacht blieb ruhig. Der Mond kam wieder hinter den Wolken hervor. Erikki sah auf die Uhr. Es war 4 Uhr 23.
Er blickte zum Himmel hinauf. Vom Morgengrauen noch keine Spur. Bei Tagesanbruch mußte er bereit sein. Cimtarga hatte ihm mitgeteilt, daß die CIA immer noch gewisse Stationen an der türkischen Grenze betrieb, daß die Regierung Khomeinis angeordnet hatte, sie zu schließen, zu evakuieren, sie aber unversehrt zu lassen. »Das werden sie nie machen«, hatte Erikki geantwortet.
»Vielleicht, vielleicht auch nicht.« Cimtarga hatte gelacht. »Sobald wir einen entsprechenden Befehl bekommen, werden wir, Sie und ich, zusammen mit meinen ›Eingeborenen‹ hinfliegen und ihnen Feuer unter dem Hintern machen …«
Lauter Verrückte! Und dann noch Johnny mit den blauen Augen, der aufgetaucht war, um ihr Leben noch komplizierter zu machen. Dennoch: Dem Himmel sei Dank für die Warnung, die er uns gab. Was hat dieser Abdullah mit Azadeh vor? Umbringen sollte ich diesen alten Schweinebären! Aber ich habe einen heiligen Eid geschworen, ihren Vater nicht anzurühren – einen Eid, den ich nicht brechen darf, so wie er geschworen hat, uns nichts in den Weg zu legen. Aber er wird einen Vorwand finden, seinen Schwur zu brechen. Kann ich das nicht auch tun? Nein, Eid ist Eid. So wie ich auch geschworen habe, in Glück und Frieden mit ihr zu leben, obwohl ich von ihm weiß.
Der KGB plant also, mich zu entführen. Wenn es diesen Plan wirklich gibt, bin ich verloren. Und Azadeh? Was hat dieser Teufel Abdullah mit ihr vor? »Komm wieder
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