Wirbelsturm
Schlüssel eine Magnetisierung in Gang, welche die Bänder löschte. Nur er und Armstrong wußten von dem Geheimnis – und auch vom Vorhandensein eines zweiten Satzes von Aufnahmegeräten. »Man kann nie wissen, wann und von wem man verraten wird«, hatte Armstrong Haschemi schon vor Jahren beim Einbau der Geräte eingeprägt. »Es könnte sein, daß du Bänder löschen mußt, aber die Duplikate dazu gebrauchen willst, sie gegen deine Freiheit einzutauschen. Bei diesem Spiel kann man nie vorsichtig genug sein.«
Haschemi zog die Lade heraus und übergab Janan die acht Bänder. »Wie ich schon sagte, sie sind leer.«
»Wenn sie leer sind, entschuldige ich mich. Wenn nicht … Inscha'Allah!« Der General fixierte Armstrong. »Sie täten gut daran, den Iran schnell zu verlassen. In Anerkennung der geleisteten Dienste gebe ich Ihnen 24 Stunden Zeit.«
Im Hause Bakravan, nahe dem Basar: 20 Uhr 57. Scharazad lag bäuchlings auf dem Bett und ließ sich massieren. Sie stöhnte vor Wohlbehagen, als die alte Frau aromatisches Öl in ihre zum Teil aufgerissene Haut einrieb. »Vorsichtig, Jari!«
»Ja, ja, Prinzeßchen«, murmelte Jari, während ihre sanften, aber kräftigen Hände die Schmerzen der Herrin linderten. Seit Scharazads Geburt war sie ihre Amme und Dienerin gewesen und hatte sie auch nach ihrer Hochzeit in Emir Paknouris Haus begleitet. Als die Ehe scheiterte, waren beide erleichtert nach Hause zurückgekehrt. Wie dumm, wenn einer, der Knaben vorzieht, eine solche Blütenknospe heiratet, hatte Jari stets gedacht, es aber nie ausgesprochen. Es war gefährlich, wußte sie, dem Oberhaupt der Familie zu widersprechen: jedem Familienoberhaupt und gar einem so geldgierigen Knauser wie Jared Bakravan. Es tat ihr nicht leid, daß er tot war.
Als Scharazad wieder geheiratet hatte, war Jari nicht in die Wohnung mitgegangen, aber das tat der Beziehung der beiden Frauen keinen Abbruch, denn wenn der Ungläubige auf Reisen war, verbrachte Scharazad ihre Tage im Elternhaus. Alle nannten Tom Lochart so und tolerierten ihn, weil er Scharazad glücklich machte.
»Was sind die Männer doch für Teufel«, sagte Jari und verbarg ihr Lächeln. Alle hatten gestern abend Scharazads Schreien und Schluchzen gehört, und obwohl sie wußten, daß ein Ehemann das Recht besaß, seine Frau zu prügeln, gelitten, als Allah sich der Hände des Ungläubigen bediente, um ihren Geist gesunden zu lassen. Jari hatte aber heute kurz vor Tagesanbruch auch die anderen Schreie gehört, ihre und seine, im Paradies Allahs.
Sie blickte auf den schönen samtweichen Körper und das lange, golden schimmernde Haar hinab. Wie herrlich, dachte sie, so jung, so kräftig zu sein, so sehr bereit, Allahs Werk endlich zu vollenden.
»Dreh dich um, Prinzeßchen!«
»Nein, Jari, es tut so weh.«
»Aber ich muß deine Magenmuskeln kneten und stark machen«, kicherte Jari. »Bald müssen sie sehr kräftig sein.«
Sogleich vergaß Scharazad ihre Schmerzen und drehte sich auf den Rücken. »Bist du sicher, Jari?«
»Nur Allah ist sicher, Prinzeßchen. Aber bist du mit deiner Zeit schon jemals spät dran gewesen? Und ist dein Sohn nicht schon längst fällig?«
Die zwei Frauen lachten, und dann streckte Scharazad sich aus, überließ sich den Händen ihrer Dienerin und dachte an die Zukunft und wie wunderbar es sein würde, wenn sie es ihm sagte: Tommy, ich habe die Ehre, dir mitzuteilen … Nein, das ist nicht gut. Tommy, Allah hat uns gesegnet … Nein, das taugt auch nichts, obwohl es wahr ist. Wenn er nur Moslem und Iraner wäre, es würde alles viel leichter machen!
Sie ließ ihre Gedanken schweifen. Bald würde sie mit der Familie zu Abend essen, dann mit ihrem Vetter Karim oder mit Zarah, der Frau ihres Bruders Meschang, Backgammon spielen und schließlich zufrieden einschlafen.
Die Sonne war schon aufgegangen, als Jari sie heute geweckt hatte. Zwar hatte sie wegen ihrer Schmerzen ein wenig geweint, aber mit Öl und Massagen war es rasch besser geworden. Dann die rituelle Waschung und das erste Gebet des Tages vor einem kleinen Schrein in der Ecke ihres Schlafzimmers. Ein schnelles Frühstück, bestehend aus Tee, frischem Brot, noch heiß aus dem Ofen, Butter, Honig und Milch sowie einem gekochten Ei, und dann mit Schleier und Tschador eilig in den Basar, um Meschang, ihren angebeteten Bruder, zu besuchen.
»O Meschang, mein Liebling, du siehst so müde aus. Hast du schon gehört, was mit unserer Wohnung passiert ist?«
»Ja, ja, ich weiß.« Er
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