Wirbelsturm
Hölle auf Erden geworden, und alles nur wegen des Schahs. Wir haben ihm vertraut, aber er hat uns enttäuscht, hat uns falsche Verbündete gegeben, unsere Generäle geknebelt. Er ist davongelaufen, hat uns im Stich gelassen und den falschen Mullahs ausgeliefert. Ich schwöre Ihnen, daß Sie mir vertrauen können. Aber das wird weder bei Ihnen noch bei sonst jemandem Eindruck machen. Es gibt kein Vertrauen mehr unter uns. Vielleicht hat Allah uns verlassen.« Das Funkgerät im Nebenzimmer knisterte. »Können Sie Zagros erreichen? Scharazad sagte, Tom sei heute morgen zurückgeflogen.«
»Ich habe es schon früher versucht, aber ich komme nicht durch«, antwortete McIver wahrheitsgemäß. »Um diese Jahreszeit ist es fast unmöglich. Aber wie ich gehört habe, sind sie gut angekommen. Unser Stützpunkt in Kowiss hat uns am frühen Nachmittag einen Bericht übermittelt.«
»Sie sollten … Sie sollten Tom sagen, was ich Ihnen erzählt habe. Sagen Sie ihm, daß er das Land verlassen muß«, murmelte Karim mit dumpfer Stimme. »Sie können sich alle glücklich schätzen, Sie können heimfahren.« Seine Verzweiflung überwältigte ihn, und Tränen rollten über seine Wangen.
Um es Karim leichter zu machen, sein Gesicht zu wahren, ging McIver in die kleine Küche. »Ich wollte mir gerade einen Tee kochen. Wollen sie mir Gesellschaft leisten?«
»Ich … wenn ich ein Glas Wasser haben dürfte. Und dann muß ich los. Danke.«
Sogleich ging McIver das Wasser holen. Armer junge, dachte er. Schreckliche Sache mit seinem Vater – so ein wunderbarer Mann, zäh und hart, aber auch geradlinig und loyal. Schrecklich. Wenn sie schon einen solchen Mann erschießen, werden wir bald alle tot sein, so oder so. »Hier«, sagte er und bot Karim das volle Glas an.
Der junge Mann nahm das Wasser. Er schämte sich, vor einem Fremden die Beherrschung verloren zu haben. »Danke … Gute Nacht.« Er sah, daß McIver ihn befremdlich anstarrte. »Ja?«
»Nur so eine Idee, Karim. Könnten Sie sich Zugang zum Kontrollturm in Doschan Tappeh verschaffen?«
»Das weiß ich nicht. Warum?«
»Wenn Sie das könnten, vielleicht wäre es Ihnen dann möglich, an die bei der Flugsicherung vorliegende Starterlaubnis der HBC heranzukommen. Sie müßte im Flugantragsbuch vermerkt sein, wenn an diesem Tag Eintragungen vorgenommen wurden. Dann könnten wir sehen, wer den Heli geflogen hat, nicht wahr?«
»Ja, aber was hätten wir davon? Die automatischen Tonbandgeräte waren auf alle Fälle eingeschaltet.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es wurde in der Nähe gekämpft – vielleicht waren die Beamten nicht ganz so aufmerksam. Wer immer sich ans Steuer der HBC setzte, erhielt unseres Wissens keine mündliche Starterlaubnis vom Tower und verlangte auch keine. Er flog einfach los. Bei der herrschenden Aufregung könnte es sogar sein, daß überhaupt keine Flugerlaubnis registriert wurde. Das ließe sich eben an Hand des Flugauftragsbuches feststellen, stimmt's?«
Karim bemühte sich zu ergründen, wo McIver hinauswollte. »Und wenn dort der Name Tom Lochart eingetragen ist?«
»Ich weiß nicht, wie das sein könnte, denn dann müßte auch meine Unterschrift dabei sein, und dann, dann wäre es, äh, eine Fälschung.« McIver verabscheute diese Unwahrheiten und seine in aller Eile erfundene Geschichte klang mit jedem Augenblick unwahrscheinlicher. »Die einzige Genehmigung, die ich gegengezeichnet habe, war für Nogger Lane, der Ersatzteile nach Bandar-e Delam bringen sollte; die habe ich aber dann gestrichen, noch bevor er starten konnte. Die Ersatzteile waren unwichtig, und während dieses Hin und Her wurde die HBC entführt.«
»Die Starterlaubnis ist der einzige Beweis?«
»Das weiß nur der liebe Gott. Wenn Tom Locharts Name auf der Genehmigung auftaucht und sie von mir unterschrieben ist, dann ist es eine Fälschung. So eine Fälschung könnte viel Verdruß stiften, oder? Darum sollte es sie am besten nicht geben, meinen Sie nicht auch?«
Langsam nickte Karim mit dem Kopf. Schon eilten seine Gedanken voraus: Er lief zum Tower, vorbei an den Wachtposten, fand das Buch, die richtige Seite, sah den hezbollahi im Türbogen und tötete ihn, packte das Buch und eilte davon, so lautlos und unbemerkt, wie er gekommen war, trat vor den Ayatollah und erzählte ihm von dem monströsen Verbrechen, das an seinem Vater begangen worden war, und sogleich ordnete der weise Ayatollah die Bestrafung der Schuldigen an. Dann ging er zu Meschang und
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