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Wirbelsturm

Wirbelsturm

Titel: Wirbelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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sehen war. Sie lächelte sich zu. Was sie sah, gefiel ihr. Sie trug einen warmen grünen Sweater, einen grünen Rock, Nylonstrümpfe und Wildlederstiefel. Wenn sie dann mittags auf die Straße ging, würde sie einen passenden pelzgefütterten Mantel und Hut anziehen. Ist Grün denn nicht die Farbe des Islams, dachte sie heiter. Ihre Schmerzen waren vergessen. Schade, daß es noch nicht Frühling ist, ich hätte mein hellgelbes Seidenkleid nehmen können, dazu den gelben Hut und … Plötzlich überkam sie eine dumpfe Traurigkeit. Dieses Kleid hatte ihr Vater ihr voriges Jahr zum Geburtstag geschenkt, und dazu dieses wunderschöne Perlenhalsband. Armer Vater! dachte sie und Zorn stieg in ihr auf. Allah strafe diese Verbrecher, die ihn ermordet haben! Sie sollen für immer in der Hölle braten! Allah schütze Meschang und meine ganze Familie und meinen Tommy; er lasse nicht zu, daß die Fanatiker uns unsere Freiheit nehmen. Tränen standen jetzt in ihren Augen, und sie wischte sie fort. Inscha'Allah. Vater ist im Paradies, wo alle Rechtgläubigen hingehören, und so gibt es eigentlich keinen Grund, um ihn zu trauern. Nein. Aber diese elenden Mörder sollten ihrer Strafe nicht entgehen. Mörder! Onkel Valik. Die HBC. Annousch und die Kinder. Die HBC. Wie ich diese drei Buchstaben hasse! Und wie mag es Karim gehen? Seit Sonntag hatte sie nichts von ihm gehört, wußte nicht, ob man ihn vor Gericht gestellt hatte, ob er tot war oder frei. Sie wußte auch nicht, was mit dem Telex geschehen war – sie konnte nur beten. Das tat sie auch, verbannte damit alle diese Probleme aus ihren Gedanken, überließ die Lösung Allah und fühlte sich gereinigt. Während sie ihre Pelzmütze aufsetzte, ging die Tür auf und Jari, auch sie im Sonntagsstaat, kam ins Zimmer: »Es ist soweit, Prinzeßchen, eben ist Zarah gekommen. Oh, wie hübsch du aussiehst!«
    In bester Laune nahm Scharazad ihren Mantel vom Bett und lief den Gang und dann die Treppe hinunter, um Zarah zu begrüßen, die in der Halle auf sie wartete. »Du siehst wunderbar aus, liebste Zarah!« rief sie und umarmte sie. »Ich fürchtete schon, Meschang würde es dir im letzten Moment verbieten.«
    »Dazu kam es gar nicht«, lachte Zarah, die ebenfalls eine schicke Pelzmütze trug. »Seit gestern liege ich ihm ununterbrochen wegen des Zobelpelzes in den Ohren. Ich müßte ihn unbedingt haben, wenn ich mich vor meinen Freundinnen nicht zu Tode schämen sollte. Heute morgen floh er in den Basar, um nichts davon hören zu müssen – und vergaß dabei unsere Demo. Komm, wir dürfen uns nicht verspäten. Das Taxi wartet draußen. Es wird ein schöner Tag werden, zwar ein bißchen kalt, aber es hat zumindest aufgehört zu schneien.«
    Drei andere Damen saßen schon im Taxi, Freundinnen und Cousinen. Zwei trugen Jeans, hohe Absätze und Schijacken, das Haar hing über die Schultern herab. Alle waren so vergnügt und aufgeregt, als wollten sie wie früher ein Picknick veranstalten. Keiner achtete auf die mißbilligenden Bemerkungen des Fahrers. »Zur Universität!« wies Zarah ihn an. Zwei Straßen vor der Universität, wo der Marsch seinen Anfang nehmen sollte, mußte das Taxi stehenbleiben, weil die Menschenmenge schon zu groß war.
    Man hatte nur einige hundert erwartet, aber Tausende waren schon da, und immer mehr kamen hinzu. Jung, alt, von hoher und von niedriger Geburt, gebildet, ungebildet, reich, arm, Jeans, Röcke, Hosen, Stiefel, Sandalen, Pelzmäntel – und bei allen die gleiche Begeisterung, selbst hei denen, die im Tschador gekommen waren. Einige Kampfnaturen schwangen schon Reden, andere skandierten Parolen:
    »Keinen Tschador mit Gewalt!«
    »Einheit, Kampf, Sieg!«
    »Frauen, vereinigt euch!«
    »Nieder mit den Despoten, von wo sie auch kommen mögen!«
    »Hoch die Frauen!« rief Scharazad. »Wir lassen uns weder Schleier noch Tschador aufzwingen!«
    Zarah bezahlte den Taxifahrer, gab ihm ein gutes Trinkgeld, wandte ihm den Rücken zu und hakte sich fröhlich bei Scharazad und Jari ein. Keine hörte den Taxifahrer, der ihnen beim Wegfahren nachrief: »Huren seid ihr, alle miteinander!«
    Die Menge wogte noch unentschlossen hin und her: Die meisten waren überwältigt, daß so viele und so verschiedene Frauen gekommen waren – selbst ein paar Männer schlossen sich ihnen begeistert an.
    »Wir sind wirklich da, Zarah! Wir protestieren!«
    »Ja, Scharazad. Und wir sind so viele!«
    Eine gutgekleidete Dame, eine bekannte Anwältin, Aktivistin und

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