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Wirbelsturm

Wirbelsturm

Titel: Wirbelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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Schädel, noch ein Toter, Kinder, die ins Kreuzfeuer gerieten, einige tot, andere hinter geparkten Autos kauernd.
    Ibrahim Kyabi, der Studentenführer der Tudeh, lief auf die Straße und hob eines der verschreckten Kinder auf, während seine Kameraden ihm Deckungsfeuer gaben. Unversehrt erreichte er die Ecke. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß dem Kind nichts passiert war, rief er seinen sechs Freunden zu: »Folgt mir!« Er wußte, daß sie hier in der Minderheit waren. Sie verschwanden in den Seitengassen, sammelten sich aber dann und erreichten gemeinsam die Roosevelt-Allee. Die Tudeh waren angewiesen worden, offene Zusammenstöße mit den hezbollahis zu vermeiden, mit den Frauen mitzumarschieren, sich zwischen ihre Reihen zu mischen und sie ideologisch zu unterwandern. Er war froh, wieder aktiv sein zu können, nachdem er sich so lange versteckt halten mußte.
    Schon eine halbe Stunde nach Rákóczys Gefangennahme hatte er seinem Vorgesetzten im Hauptquartier der Tudeh Bericht erstattet. Der Mann hatte ihm aufgetragen, nicht nach Hause zu gehen, sich den Bart scheren zu lassen, für einige Tage von der Bildfläche zu verschwinden und sich in einer konspirativen Wohnung in der Nähe der Universität aufzuhalten. »Bis zum Protestmarsch der Frauen am Dienstag. Nimm daran mit deiner Zelle teil, wie vorgesehen, und geh am Tag darauf nach Kowiss.«
    »Wie können wir Dimitri Yazernow helfen?« Er kannte Rákóczy nur unter diesem Namen.
    »Keine Sorge, wir holen ihn schon raus. Sag mir noch mal, wie die Männer ausgesehen haben.«
    Ibrahim hatte ihm das Wenige berichtet, an das er sich erinnern konnte, und dann gefragt: »Wie viele Genossen werden mich nach Kowiss begleiten?«
    »Du und noch zwei, das sollte für einen stinkenden Mullah genug sein.«
    Ja, dachte er, mehr als genug. Bald wird mein Vater gerächt sein. Seine Hände umspannten die M 16, die er vor einer Woche aus der Waffenkammer in Doschan Tappeh gestohlen hatte. »Freiheit!« brüllte er und mischte sich zusammen mit seinen Freunden unter die ersten Reihen der Demonstrantinnen.
    Hundert Meter hinter ihnen kam langsam ein offener Lastwagen gerollt, auf ihm junge Männer, Angehörige der Luftwaffe in Zivil. Tausende jubelten ihnen zu. Auch Karim Peschadi war dabei. Seit Stunden suchte er nach Scharazad, hatte sie aber nicht finden können. Er und seine Freunde waren in Doschan Tappeh stationiert, wo es praktisch keine Ordnung und keine Disziplin mehr gab. Komitees hatten das Sagen, erließen Befehle und Gegenbefehle, desgleichen aber auch das Ministerpräsident Bazargan untergeordnete Oberkommando, das Islamische Revolutionäre Komitee und von Zeit zu Zeit sogar auch Ayatollah Khomeini, wenn er über den Rundfunk neue Gesetze verkündete.
    Wie alle Piloten und Offiziere im Land war auch Karim vor ein Komitee zitiert und über seine Vergangenheit, seine politischen Überzeugungen und seine revolutionären Verbindungen befragt worden. Er hatte gute Leistungen vorzuweisen, und er konnte wahrheitsgemäß beschwören, daß er den Islam, Khomeini und die Revolution unterstützte. Doch die Erinnerung an seinen Vater ließ ihn nicht los, und er mußte seinen Rachedurst in seiner Brust verschließen.
    Am letzten Abend hatte er versucht, sich in den Tower von Doschan Tappeh zu schleichen, um das Flugauftragsbuch zu finden, doch war ihm der Zugang verwehrt worden. Heute abend würde er es noch einmal versuchen. Es muß mir gelingen, Scharazad verläßt sich auf mich. O Scharazad, auch wenn es nicht sein darf, aber du bedeutest alles für mich!
    Gestern abend hatte er zusammen mit Freunden im Radio die Hetzrede eines fundamentalistischen Ayatollahs gehört. Der Mann hatte die Frauendemonstration scharf angegriffen und zu Gegenprotesten der ›Rechtgläubigen‹ aufgerufen. Nun hatte Karim große Sorge um Scharazad, seine Schwestern und andere Frauen aus seiner Verwandtschaft, da er wußte, daß sie am Protestmarsch teilnehmen würden. Seinen Freunden ging es ähnlich, und darum hatten sie sich diesen Lastwagen organisiert und sich der Demonstration angeschlossen. Sie waren bewaffnet.
    »Gleiches Recht für die Frauen!« rief er. »Hoch die Demokratie! Hoch der Islam!«
    Vor den Marschierenden hatten Männer eine dichte Barriere quer über die Straße gebildet, die ein weiteres Vorrücken unmöglich machte. Die Frauen in den vordersten Reihen sahen ihre zornigen Gesichter und die erhobenen Fäuste. Instinktiv versuchten sie das Tempo zu bremsen, konnten es aber

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