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Wirbelsturm

Wirbelsturm

Titel: Wirbelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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Frauenrechtlerin, Namjeh Lengehi, versuchte schreiend den Lärm zu übertönen. Auch einige Gruppen von Männern, hauptsächlich Studenten und Lehrer, die einen pro, die anderen contra, ein paar Mullahs, alle contra, hörten ihr zu. »Einige Mullahs sagen, wir Frauen könnten keine Richterinnen sein, sollten uns nicht bilden dürfen und müßten den Tschador tragen. Seit drei Generationen gehen wir ohne Schleier. Seit drei Generationen haben wir das Recht, uns zu bilden, und seit einer Generation können wir auch wählen. Allah ist groß …«
    »Allah ist groß!« wiederholte ein Chor von Tausenden.
    »Einige von uns hatten im Leben mehr Glück als andere, sind gebildeter als andere, manche sogar gebildeter als viele Männer. Einige sind mit den Gesetzen vertrauter als manche Männer – warum sollten sie nicht Richierinnen sein? Warum?«
    »Dafür gibt es keinen Grund! Solche Frauen sollen Richterinnen sein!« rief Zarah zusammen mit hundert anderen, und Namjeh Lengehi fuhr fort: »Wir haben den Ayatollah von ganzem Herzen unterstützt!« Lauter Beifall unterbrach sie. »Wir segnen ihn für alles, was er getan hat. Wir haben gekämpft, so gut wir konnten. Seite an Seite mit den Männern. Wir haben mit ihnen Leiden und Gefängnis geteilt, wir haben den Despoten verjagt. Jetzt sind wir frei, der Iran hat sein Joch und das der Fremden abgeworfen. Aber es gibt keinem Mullah, ja nicht einmal dem Ayatollah das Recht, die Uhr zurückzustellen.«
    Stürmische Rufe wurden laut: »Nein! Nein! Keine Despoten! Wahlrecht für die Frauen! Lengehi in die Madschlis! Lengehi ins Erziehungsministerium!«
    »Oh, Zarah, ist das nicht wunderbar!« Scharazad war begeistert. »Bist du eigentlich schon einmal zu einer Wahl gegangen?«
    »Nein, Liebste, natürlich nicht. Aber das heißt nicht, daß ich nicht das Recht haben will zu wählen, wenn ich möchte. Hundertmal habe ich es Meschang schon gesagt: Natürlich würde ich ihn fragen, wen ich wählen soll, aber ich will selbst in die Wahlkabine gehen und meinen Stimmzettel ausfüllen können.«
    »Du hast völlig recht«, stimmte ihr Scharazad zu und rief: »Hoch die Revolution! Allah ist groß! Lengehi in den Obersten Gerichtshof! Wir bestehen auf unseren Rechten!«
    Teymour, der von der PLO geschulte Iraner, der Scharazads Wohnung besetzt hielt und ausgeschickt worden war, die Demonstration zu beobachten und Aktivistinnen zu identifizieren, erkannte sie nach Fotografien, die er in der Wohnung gesehen hatte. Er wurde immer zorniger. »Die Frauen haben den Gesetzen Gottes zu gehorchen! Wir brauchen keine Richterinnen!« Doch Tausende schrieen ihn nieder, und niemand achtete mehr auf ihn.
    Keiner konnte sagen, wie der Marsch begonnen hatte. Sie gingen einfach los, und bald füllten sie die breiten Straßen von einer Häuserwand zur anderen und brachten den Verkehr zum Erliegen. Die Menschen in den Geschäften, an den Fenstern und auf den Balkonen starrten mit offenem Mund auf die vorbeiziehende Masse.
    Die meisten Männer waren schockiert. »Schau dir die an, die junge Hure mit dem grünen Mantel, den sie vorne aufklaffen läßt, um ihren Ausschnitt zu zeigen. Schau doch! Allah strafe sie, denn sie will mich in Versuchung führen …«
    »Und die mit den blauen Hosen! Gott schütze uns! Sie will die Männer nur aufgeilen. So wie die neben ihr. Dirne! He, du Dirne da unten, du sehnst dich wohl nach einem Schwanz …«
    Die Männer gafften und gierten. Auch die Frauen gafften. Mehr und mehr vergaßen sie das Einkaufen und schlossen sich ihren Schwestern, Tanten, Müttern und Großmüttern an und entfernten furchtlos ihre Kopftücher, Schleier und Tschadors – war denn das nicht ihre Hauptstadt, waren sie nicht Teheranerinnen, die Elite des Irans? »Frauen, vereinigt euch, Allah ist groß! Sieg, Einheit, Kampf! Gleiche Rechte für die Frauen! Das Wahlrecht! Nieder mit den Despoten!«
    Vor den Demonstrantinnen, hinter ihnen und um sie herum, in Hauptstraßen und Seitengassen, formten sich Gruppen von Männern, Befürworter und Gegner. Die Auseinandersetzungen wurden zunehmend härter. Die Gesetze des Korans verpflichteten die Moslems schließlich, jeden Angriff gegen den Islam abzuwehren. Vereinzelt kam es zu Handgemengen. Ein Mann zog ein Messer und starb, als ihm ein anderer ein Messer in den Rücken stieß. Ein paar Schüsse und Verletzte. Zusammenstöße. Da und dort Diskussionen zwischen Liberalen und Fundamentalisten, zwischen Linken und hezbollahis. Ein paar eingeschlagene

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