Wirbelsturm
Herzschlag stockte kurz. »Warum, Major?« fragte er auf Persisch.
»Der Kommandant braucht Sie.«
»Wozu?«
Der Major zuckte mit den Achseln und verließ den Raum.
»Alarmiere unsere Jungs«, flüsterte Starke Ayre zu. »Und Manuela.«
»Okay«, murmelte Ayre.
Als Starke die Straße überquerte und die Treppe hinaufstieg, empfand er die auf ihn gerichteten Blicke wie eine körperliche Last. Gott sei Dank bin ich ein Zivilist, der für eine britische Gesellschaft arbeitet und nicht mehr für die US-Army, dachte er und empfand so etwas wie Erleichterung.
Die drei Dorfbewohner waren ins Vorzimmer verbannt worden, und Starke ging an ihnen vorbei direkt in die Höhle des Kommandanten. »Guten Morgen, Herr Oberst«, begrüßte er diesen vorsichtig auf Englisch.
»Guten Morgen, Captain Starke.« Peschadi wechselte zu Persisch. »Ich möchte Sie mit dem Mullah Hussain Kowissi bekannt machen.«
»Friede sei mit Ihnen«, sagte Starke auf Persisch und nahm sehr bewußt die Flecken wahr, die das Blut des Jungen auf dem weißen Turban und dem schwarzen Gewand hinterlassen hatten.
»Friede sei mit Ihnen.«
Starke streckte, wie gewohnt, die Hand zum Händedruck aus. Gerade noch rechtzeitig sah er das geronnene Blut auf der vom Stacheldraht aufgerissenen Handfläche des Mullah und faßte ihn deshalb nur vorsichtig an. Dennoch verzog der Mullah gequält das Gesicht. Starke entschuldigte sich auf Englisch, doch der Mullah blickte ihn nur haßerfüllt an.
»Sie wollten mich sprechen, Herr Oberst?«
»Ja. Bitte, nehmen Sie Platz!« Peschadi zeigte auf einen Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtisches. Das Büro war spartanisch eingerichtet und makellos sauber. Der einzige Wandschmuck war ein Foto des Schahs und seiner Frau Farah. Der Mullah saß mit dem Rücken zu dem Bild.
Peschadi zündete sich eine Zigarette an. Hussain betrachtete sie mißbilligend und starrte dann dem Oberst ins Gesicht. Peschadi erwiderte den Blick. Bestimmten Auslegungen zufolge verbot der Koran das Rauchen. Sie hatten über eine Stunde lang über diesen Punkt gestritten. Dann hatte Peschadi abschließend erklärt: »Im Iran ist das Rauchen nicht verboten, noch nicht. Ich bin Soldat und habe geschworen, nur auf Befehle zu gehorchen.«
»Auch auf ungesetzliche Befehle?«
»Ich wiederhole: Die Befehle Seiner kaiserlichen Majestät Schahinschah Mohammed Pahlevi oder seines Vertreters Ministerpräsident Bachtiar sind gemäß den iranischen Gesetzen immer noch in Kraft. Der Iran ist noch kein islamischer Staat. Noch nicht. Sobald er es wird, werde ich die Befehle desjenigen befolgen, der den islamischen Staat leitet.«
»Sie werden dem Imam Khomeini gehorchen?« hatte Hussain gefragt.
»Natürlich – wenn der Ayatollah Khomeini unser legaler Herrscher wird.« Der Oberst hatte genickt, aber gedacht: Bevor es soweit kommt, wird noch viel Blut fließen. »Und falls ich zum Führer dieses islamischen Staates gewählt werde, werden Sie dann mir gehorchen, Mullah?«
Hussain hatte nicht gelächelt. »Der Führer des islamischen Staates wird der Imam, der Sturm Gottes, sein, und nach ihm ein anderer Ayatollah, und dann der nächste.«
Auch jetzt funkelten Hussains harte, unnachgiebige Augen Peschadi immer noch an, und der Oberst hätte den Mullah am liebsten zerschmettert, dazu mit seinen Panzern alle niedergewalzt, die den Befehlen des Schahs, des gottgesandten Herrschers, nicht gehorchten. Ja, dachte er, unser gottgesandter Herrscher, der sich wie schon sein Vater gegen euch Mullahs und euer Machtstreben gestellt hat, der mit eurem archaischen Dogmatismus aufgeräumt, den Iran aus dem Mittelalter geführt und ihm zu der ihm zustehenden Größe verholfen hat, der die OPEC im Alleingang dazu gebracht hat, sich gegen die ungeheure Macht der ausländischen Ölkonzerne zur Wehr zu setzen, der nach dem Zweiten Weltkrieg die Sowjets aus Aserbeidschan vertrieben und sie seither in Schach gehalten hat, so daß sie ihm wie Schoßhündchen die Hände lecken. Bei Allah und dem Propheten! dachte er wütend. Ich kann nicht verstehen, warum diese Scheiß-Mullahs nicht erkennen, wie es in Wahrheit um den senilen alten Khomeini steht, der seine Lügen noch vom Totenbett in die Welt hinausschreit. Wir brauchen einen einzigen Befehl: Zerschlagt unverzüglich die Revolution! Mit diesem Befehl würde ich innerhalb von drei Tagen in Kowiss und in einem Umkreis von hundert Kilometern Ruhe, Frieden und Wohlstand herstellen, die Mullahs säßen glücklich in den Moscheen,
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