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Wirbelsturm

Wirbelsturm

Titel: Wirbelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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angeschlagenen Tonschale schwamm, tropfte und warf gespenstische Schatten. Er schlug die Augen auf und sah sich um. Er war allein in der Hütte. Lautlos schlüpfte er unter den Decken und Tierfellen hervor. Er war völlig angekleidet. Er zog seine Stiefel an, ging zur Tür und öffnete sie leise.
    Den Kopf ein wenig zur Seite geneigt, stand er einen Augenblick lang lauschend da. Tiefziehende Wolken umnebelten den Mond, der Wind bewegte nur die dünnsten Kiefernzweige. Es waren keine Wachen zu sehen, und nichts rührte sich in der Nähe des Pultdachs, unter dem die 212 abgestellt war. Einem Jäger gleich schlich er sich um die Hütte herum und auf den Anbau zu. Die 212 war für die Nacht eingemummt worden, Felle und Decken, wo sie am nötigsten gebraucht wurden, alle Türen geschlossen. Durch ein Seitenfenster der Kabine konnte er zwei Stammesangehörige ausmachen, die, das Gewehr neben sich, in Decken eingerollt auf den Sitzen lagen und schnarchten. Der Wächter im Cockpit war hellwach, hatte Erikki aber noch nicht gesehen. Leise Schritte näherten sich; der Geruch von Ziegen und Schafen und schalem Tabak ging ihnen voraus.
    »Was gibt es, Pilot?« fragte der junge Scheich Bayazid leise.
    »Ich weiß es nicht.«
    Der Wächter hörte sie, steckte den Kopf aus dem Cockpitfenster, begrüßte seinen Anführer und wollte wissen, was los war.
    »Nichts«, antwortete Bayazid und starrte nachdenklich ins Dunkel. In den wenigen Tagen, da der Fremde im Dorf war, hatte er ihn zu schätzen und zu respektieren gelernt – als Mann und nun auch als Jäger. Erst heute hatte er ihn in den Wald mitgenommen, um ihn zu testen, und ihm zu seinem eigenen Vergnügen sogar ein Gewehr gegeben. Mit dem ersten Schuß hatte Erikki eine Bergziege so sauber erledigt, wie er es nicht besser hätte machen können. Bayazid hatte sich schon überlegt, was der Fremde wohl mit dem Gewehr anfangen würde – es törichterweise gegen ihn richten oder gar in die Wälder flüchten. Es hätte ihm Spaß gemacht, ihn dort zu jagen. Doch der Rotschopf mit dem Messer hatte nur Wild gejagt und seine Gedanken für sich behalten. »Hast du etwas gemerkt – Gefahr?«
    »Ich weiß es nicht.« Erikki starrte in die Nacht hinaus. Keine Geräusche bis auf den Wind und ein paar jagende Nachttiere. »Immer noch keine Antwort?«
    »Nein, noch nichts Neues.«
    Einer der zwei Boten war heute nachmittag zurückgekommen. »Der Khan ist sehr, sehr krank, dem Tod nahe«, hatte er berichtet. »Aber er versprach, uns bald zu antworten.«
    »Und wenn er stirbt, was dann?« hatte Erikki gefragt.
    »Dann wird sein Erbe zahlen – oder auch nicht. Inscha'Allah.«
    Der Scheich zog den Schulterriemen mit seinem Sturmgewehr zurecht. »Komm auf die andere Seite. Hier ist es kalt.« Von hier aus konnten sie ins Tal hinabsehen.
    Knapp 30 Minuten zum Palast und zu Azadeh, dachte Erikki, und dennoch keine Möglichkeit zu entkommen.
    Jedesmal, wenn er die Triebwerke startete, um die Batterien aufzuladen und das Öl zirkulieren zu lassen, waren fünf Gewehre auf ihn gerichtet. Hin und wieder schlenderte er ans Ende des Dorfes oder er stand in der Nacht auf, wie auch jetzt, immer bereit loszulaufen und die Flucht zu Fuß zu riskieren. Aber er hatte nie eine Chance, die Wachen paßten zu gut auf. Heute, während des Jagdausflugs, war die Versuchung auszubrechen groß gewesen, aber es hatte natürlich keinen Sinn. Er wußte, daß sie nur mit ihm spielten.
    »Es ist nichts, Pilot, geh wieder schlafen«, sagte Bayazid. »Vielleicht gibt es morgen eine gute Nachricht. Wie es Allah gefällt.«
    Erikki blieb stumm. Seine Augen suchten das Dunkel ab, aber es war ihm nicht möglich, sich von seinen Vorahnungen zu befreien. Vielleicht ist Azadeh in Gefahr, vielleicht ist es aber auch gar nichts, und nur die Warterei und die Ungewißheit machen mich langsam verrückt. Sind Ross und sein Soldat geflüchtet, und was ist mit diesem verdammten Pjotr Mzytryk und Abdullah? »Ich stimme Ihnen zu, wie es Allah gefällt, aber ich will hier raus. Die Zeit ist da.«
    Der Scheich lächelte und ließ seine abgebrochenen Zähne sehen. »Dann werde ich dich fesseln müssen.«
    Erikki erwiderte das Lächeln, es war ebenso kalt. »Ich werde bis morgen abend warten. Im Morgengrauen des folgenden Tages verlasse ich das Dorf.«
    »Nein.«
    »Es wäre besser für Sie und für mich. Wir können mit Ihren Männern in den Palast eindringen. Ich kann …«
    »Nein. Wir warten.«
    »Ich kann im Hof landen, ich rede mit ihm,

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