Wirbelsturm
nach Einbruch der Dunkelheit gekommen.«
»Der Schlag soll ihn treffen – ich bin bis auf die Knochen durchgefroren.«
»Jetzt dauert es nicht mehr lange, Haschemi, alter Freund!« Wenn es nach ihm ginge, dachte Armstrong, würde er bis zum Jüngsten Tag warten, um Mzytryk alias Suslew alias Brodnin in die Finger zu bekommen. So wie er auch nach dem Debakel vom vergangenen Freitag vorgeschlagen hatte, in Täbris zu bleiben. »Laß mir die Männer da, Haschemi. Ich werde dann aus dem Hinterhalt angreifen. Fahr du nach Teheran zurück, ich weiß, du hast alle Hände voll zu tun. Ich warte hier, schnappe ihn und bringe ihn dir.«
»Nein, ich reise sofort ab und bin Dienstag ganz früh wieder da. Du kannst hierbleiben.«
›Hier‹ war eine konspirative Wohnung mit Aussicht auf die Blaue Moschee, warm, behaglich und mit einem ansehnlichen Vorrat an Whisky ausgestattet. »War das eigentlich dein Ernst, als du Abdullah Khan sagtest, daß du jetzt hier das Gesetz bist, und daß SAVAMA und Pahmudi ohne deine Unterstützung nichts ausrichten können?«
»O ja.«
»Pahmudi ist Abdullah richtig unter die Haut gegangen – das muß es gewesen sein, was ihn um den Verstand gebracht hat. Um was geht es da eigentlich?«
»Pahmudi ließ Abdullah aus Teheran ausweisen.«
»Na so was! Warum?«
»Das ist eine alte Feindschaft, die schon Jahre zurückgeht. Nachdem Abdullah 1953 Khan wurde, riet er verschiedenen Premierministern und Hofbeamten mit Nachdruck, sich nur mit großer Vorsicht an politische Reformen und sogenannte Modernisierungen heranzuwagen. Pahmudi, der in Europa erzogene Intellektuelle aus guter Familie, war immer gegen ihn, verachtete ihn und verwehrte ihm den Zutritt zum Schah. Bedauerlicherweise fand Pahmudi ein offenes Ohr beim Schah.«
»Um ihn am Ende zu verraten.«
»Vielleicht sogar von Anfang an. Zum ersten Mal gerieten sich Pahmudi und Abdullah Khan 1963 offen über die vom Schah angeregten Reformen in die Haare – Wahlrecht für Frauen, Wahlrecht für Nicht-Moslems und der Einzug der Nicht-Moslems in die Madschlis. Wie jeder vernünftige Iraner wußte natürlich auch Abdullah, daß sich unter den religiösen Führern ein Sturm der Entrüstung erheben würde.«
»Kaum zu glauben, daß niemand an den Schah herankommen konnte, um ihn zu warnen.« Armstrong schüttelte den Kopf.
»Oh, das ist vielen gelungen, aber sie hatten nicht genug Einfluß. Von uns standen die meisten auf der Seite von Khomeini. In seinem Kampf gegen Pahmudi verlor Abdullah eine Runde nach der anderen. Gegen unser aller Rat verordnete der Schah eine Kalenderreform. Den islamischen, der den Moslems genauso heilig ist wie den Christen die Geburt Christi, wollte er zugunsten eines frei erfundenen, der auf Cyrus den Großen zurückging, aufgeben. Damit stieß er natürlich alle Moslems vor den Kopf und mußte den Plan wieder fallenlassen.«
Haschemi leerte seinen Whisky, schenkte sich aber gleich noch einen ein. »Dann forderte Pahmudi Abdullah in aller Öffentlichkeit auf, sich zu verpissen – wörtlich –, warf ihm höhnisch vor, ein rückschrittlicher Dummkopf zu sein und im finstersten Mittelalter zu leben – ›Ist ja kein Wunder, wenn man aus Aserbeidschan kommt‹ –, und befahl ihm, sich von Teheran fernzuhalten. Andernfalls würde er verhaftet werden. Zu allem Überfluß ließ er eindeutige Karikaturen in den Zeitungen erscheinen.«
»Ich hätte Pahmudi nie für so schwachsinnig gehalten«, wunderte sich Armstrong.
»Zum Glück ist er es aber – und darum sind seine Tage gezählt.« Armstrong entsann sich der merkwürdigen Zuversicht, die Haschemi beseelt hatte, und wie unentschlossen dagegen er gewesen war. Während er auf Haschemis Rückkehr nach Täbris wartete, wurde dieser Eindruck immer stärker. Sich in diesen Tagen auf den Straßen zu zeigen, wäre unklug; immer noch trugen dort rivalisierende Gruppen Kämpfe aus. Tagsüber sorgten Polizei und loyales Militär im Namen des Ayatollah für Frieden – nachts war es wesentlich schwerer, wenn nicht gar unmöglich, kleine Gruppen von Fanatikern davon abzuhalten, Teile der Stadt zu terrorisieren. »Wir könnten sie immer noch zerschlagen, wenn dieser alte Teufel Abdullah uns helfen würde.«
»Hat denn Abdullah Khan noch als Halbtoter soviel Macht?«
»O ja, er hat schließlich den erblichen Titel eines Khans, ist Führer eines großen Stammes. Sein Reichtum, der sichtbare und der unsichtbare, kann es ohne weiteres mit dem eines Schahs
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