Wirbelsturm
stieg Gavallan ins Gesicht. »Das wäre Straßenraub.«
»Nur der Preis des Mißerfolgs. Bei Gott, wenn die S-G kaputtgeht, bist du erledigt. Und wenn du es dir nicht leisten kannst, deine Flugtickets zu bezahlen, um zu Vorstandssitzungen zu kommen, dann wirst du uns nicht abgehen.«
Gavallan war vor Wut außer sich, aber er beherrschte sich. Einer plötzlichen Eingebung folgend, richtete er das Wort an Profitable Choy: »Wenn wir mit der Operation ›Wirbelsturm‹ Erfolg haben, würdest du mir helfen, Struan's auszuzahlen?«
Noch bevor der Chinese antworten konnte, brüllte Linbar: »Unsere Kapitalmehrheit steht nicht zum Verkauf!«
»Aber vielleicht sollte sie das, Linbar«, sagte Choy nachdenklich. »Auf diese Weise kämst du vielleicht aus der Klemme, in der du dich befindest. Und warum dich nicht von einer Last befreien, die … Ihr beide hackt immerzu aufeinander herum, und wozu? Macht doch Schluß damit!«
Mit gepreßter Stimme fragte Linbar: »Würdest du eine solche Auszahlung finanzieren?«
»Vielleicht. Ja. Könnte sein, aber nur mit deinem Einverständnis, Linbar. Das ist eine Familienangelegenheit.«
»Ich werde nie zustimmen, Profitable.« Linbars Gesicht verzerrte sich, und er funkelte Gavallan böse an. »Dich will ich modern sehen.«
Gavallan erhob sich. »Wir sehen uns bei der nächsten Vorstandssitzung. Wir werden ja sehen, was diese Herren dazu sagen.«
»Sie werden tun, was ich ihnen befehle. Ich bin der Tai-Pan. Übrigens mache ich Profitable Choy zum Vorstandsmitglied.«
»Das kannst du nicht. Es wäre gegen Dirks Vorschrift.« Dirk Struan, der Gründer der Gesellschaft, hatte festgelegt, daß nur Familienangehörige und Christen Mitglieder des Vorstands sein durften. »Du hast bei Gott geschworen, dich daran zu halten!«
»Zum Teufel mit Dirks Vorschriften!« fuhr Linbar ihn an, »was ich geschworen habe, ist allein meine Sache. Du hältst dich für so verdammt gescheit, aber das bist du gar nicht. Choy ist Episkopalist geworden, voriges Jahr hat er sich scheiden lassen, und bald wird er in die Familie einheiraten: eine meiner Nichten, mit meinem Segen. Er wird mehr zur Familie gehören als du!« Er lachte schallend.
Gavallan nicht. Und auch Choy war ernst geblieben. »Ich wußte nicht, daß du dich scheiden lassen hast«, hatte Gavallan gesagt. »Ich sollte dich beglückwünschen zu … zu deinem neuen Leben und deiner … deiner Berufung.«
»Ja, danke.« Mehr hatte sein Feind nicht gesagt.
Teheran – in einem nördlichen Vorort: 14 Uhr 35. Lässig-elegant wie immer, in maßgeschneiderter Fliegerkleidung und spezialangefertigten Stiefeln stieg Jean-Luc aus dem Taxi. Wie vereinbart nahm er eine Hundert-Dollar-Note aus der Brieftasche und riß sie sorgfältig in zwei Teile. » Voilà !« Aufmerksam musterte der Fahrer seine Hälfte. »Nur eine Stunde, Agha? In Allahs Namen, Agha, nicht mehr.«
»Eineinhalb Stunden, wie wir vereinbart haben, und dann zum Flughafen zurück. Ich werde etwas Gepäck haben.«
»Inscha'Allah.« Der Fahrer sah sich nervös um. »Hier kann ich nicht warten – zu viele Augen. Eineinhalb Stunden. Ich warte um die Ecke dort.« Er deutete nach vorn und fuhr los. Jean-Luc ging die Treppe hinauf und schloß die Tür zum Appartement 4a auf, das nach Süden lag und auf die von hohen Bäumen gesäumte Straße hinausging. Dies war seine Behausung, die freilich seine Frau Marie-Christine gefunden und eingerichtet und bei ihren seltenen Besuchen bewohnt hatte. Ein Schlafzimmer mit einem großen niederen Doppelbett, eine gut ausgerüstete Küche, ein Wohnzimmer mit einem tiefen Sofa und einem modernen HiFi-Plattenspieler: »Um deine Freundinnen zu betören, solange du dir nicht einfallen läßt, eine nach Frankreich zu importieren.«
»Ich, chérie ? Ich bin ein Liebhaber, aber doch kein Importeur.« Er lächelte, war froh, daheim zu sein, und nur ein wenig verärgert, weil er so viel zurücklassen mußte: das HiFi-Gerät, die wunderbaren Platten, das so herrlich federnde Bett, den so raffiniert ins Land geschmuggelten Wein, die Küchengeräte. Er ging ins Schlafzimmer, um zu telefonieren, aber das Telefon funktionierte nicht.
Er holte einen Koffer aus dem eleganten Wandschrank und fing an zu packen, schnell und zügig, denn er hatte lange darüber nachgedacht. Zuerst seine Lieblingsmesser und die Bratpfanne und sechs Flaschen seiner besten Weine. Die restlichen vierzig würden dem neuen Mieter bleiben – dem vorübergehenden Mieter, falls er je
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