Wirbelsturm
nicht. Wieder ein leises seufzendes Stöhnen, das ihn schier krank vor Sorge machte, aber dann sah er Hakim, der sich unbeholfen an sie heranschob und ihre Hand ergriff, und das beruhigte ihn ein wenig.
Hakim hatte große Angst. Alles tat ihm weh, und er wußte, daß er ebenso wehrlos war wie sie und dringend einen Arzt brauchte. Ahmed und Erikki waren in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, sein eigenes Leben bedroht, sein Khanat in Trümmern. Dennoch nahm er noch einmal seinen ganzen Mut zusammen. Ich habe Abdullah Khan und Mahmud und Ahmed nicht überlistet, um diesen Hunden den Sieg zu überlassen! Er hob den Blick zu Bayazid. »Nun? Nennst du Ahmed einen Lügner?« fragte er in scharfem Ton auf Türkisch, so daß alle ihn verstehen konnten, und Ahmed liebte ihn für seine Unerschrockenheit. Aller Augen waren jetzt auf Bayazid gerichtet. »Ein Mann muß diese Frage beantworten. Nennst du ihn einen Lügner?«
»Nein«, murmelte Bayazid. »Er hat die Wahrheit gesprochen.«
»Wie es Allah gefällt«, sagte Hakim. Er verbarg seine Erleichterung, stieß weiter vor, und mit jedem Satz gewann er mehr an Autorität. »Mit Kämpfen erreichen wir nichts. Die eine Hälfte ist also bezahlt und die andere versprochen, wenn der Pilot freigelassen wird. Der Pilot ist da und in Sicherheit, und auch seine Maschine. Daher werde ich den Rest sogleich bezahlen.«
Er sah die Gier in ihren Gesichtern und schwor insgeheim, sich an ihnen allen zu rächen. »Ahmed, drüben beim Tisch – Najouds Schmuckbeutel muß dort liegen.« Ahmed drängte sich grob durch die Kurden und fing an, im Schutt nach dem Ledertäschchen zu suchen. Kurz vor dem Angriff hatte Hakim es Azadeh gezeigt und ihr erzählt, daß es sich um Familienerbstücke handelte. Najoud habe zugegeben, sie gestohlen zu haben, und sie ihm, bevor sie den Palast verließen, in tiefer Zerknirschung zurückgegeben. »Ich bin froh, daß du dich nicht hast erweichen lassen, Hakim«, hatte Azadeh gesagt. »Mit ihr und ihrer Brut in deiner Nähe wärest du nie sicher gewesen.«
Ich werde nie sicher sein, dachte er ohne Angst, während er Ahmed beobachtete. Ich bin froh, daß ich Ahmed geschont habe, und ich bin froh, daß wir so gescheit waren, Azadeh und ich, uns in den Alkoven zurückzuziehen, als die Schießerei losging. Hier im Zimmer … Inscha'Allah! Seine Finger umschlossen ihr Handgelenk. Er spürte ihre Wärme und hörte sie atmen. »Allah sei Dank«, murmelte er erleichtert. Sein Blick fiel auf den Mann, der Erikki bedrohte. »Du«, deutete er gebieterisch, »laß den Piloten in Frieden.« Fragend sah der bärtige Mann Bayazid an. Der Scheich nickte. Sogleich ging Erikki zu Azadeh hinüber. Vorsichtshalber zog er sich seinen dicken Sweater aus, um leichter an den Dolch heranzukommen, den er auf dem Rücken festgeklemmt hatte. Dann kniete er sich hin, ergriff ihre Hand, behielt aber Bayazid im Auge, während er mit seinem massiven Körper Azadeh und Hakim deckte.
»Hoheit!« Ahmed reichte Hakim den Beutel.
Lässig öffnete Hakim ihn und schüttete die Juwelen in seine Hand: Smaragde und Diamanten und Saphire, Halsketten, reich verzierte goldene Armbänder, Ohrgehänge. Ein großes Seufzen ging durch den Raum. Bedächtig wählte er eine Halskette aus Rubinen im Wert von 10 bis 15 Millionen Rial und tat, als merke er nicht, wie sich aller Augen auf den Schmuck konzentrierten. Abrupt legte er die Rubine zur Seite und entschied sich statt dessen für einen Anhänger, der zwei- oder dreimal soviel wert war.
»Hier«, sagte er, »damit ist das Lösegeld voll bezahlt.« Er hielt den Diamantanhänger Bayazid entgegen, der, vom Feuer des Steines wie hypnotisiert, mit ausgestreckter Hand auf ihn zukam. Doch noch bevor der Scheich danach greifen konnte, schloß Hakim die Faust. »Akzeptierst du das vor Allah als volle Zahlung?«
»Ja, vor Allah als volle Zahlung«, murmelte Bayazid. Nie hatte er geglaubt, daß Allah ihm soviel Reichtum schenken würde – genug, um Herden und Gewehre und Granaten und Seide und warme Kleidung zu kaufen. »Ich schwöre es vor Allah.«
»Und du verläßt uns sofort? In Frieden vor Allah?«
»Erst müssen wir in unser Dorf zurück, Agha. Wir brauchen das Flugzeug und den Piloten.«
»Nein, bei Allah, das Lösegeld ist für die sichere Rückkehr des Flugzeugs und des Piloten, und nicht mehr.« Er öffnete die Faust, ohne den Blick von Bayazid abzuwenden, der nur mehr den Stein sah. »Vor Allah?«
»Was sollte mich daran hindern«, gab
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