Wirbelsturm
selbstverständlich.«
»Hilf mir zuerst auf, Erikki«, sagte Hakim mit schwacher Stimme, und Erikki hob ihn hoch, drängte sich durch die Menge und setzte ihn auf die Sofakissen neben Azadeh. Besorgt betrachtete Hakim das bleiche Gesicht der Schwester, bemerkte aber auch, daß sie regelmäßig atmete. »Gott sei Dank«, murmelte er. Unbewaffnet verließ Erikki das Zimmer und schlich sich herzklopfend zum Treppenabsatz, wo er zu Ahmed hinunterrief und ihn aufforderte, nicht zu schießen. »Ich muß mit dir reden, Ahmed. Ich bin allein.«
Als er unten ankam, war er immer noch allein. Wieder rief er nach Ahmed, aber seine Worte hallten nur von den Wänden zurück. Er wanderte weiter, in andere Zimmer. Niemand war zu sehen, aber plötzlich hatte er eine Pistole im Gesicht und eine zweite im Rücken. Ahmed und ein Wächter, beide sehr nervös.
»Schnell, Ahmed«, stieß er hervor, »ist es wahr, daß Abdullah tot ist, daß es einen neuen Khan gibt und daß die Hälfte des Lösegeldes bezahlt wurde?«
Ahmed starrte ihn mit offenem Mund an.
»Verdammt noch mal, ist es wahr?«
»Ja, ja, das ist wahr. Aber …«
»Schnell, du mußt es ihnen sagen.« Er fühlte sich sehr erleichtert, weil er Hakim nur halb geglaubt hatte. »Schnell, sie töten sonst ihn und Azadeh. Komm mit …«
»Dann ist er … sind sie also nicht tot?«
»Natürlich nicht. Komm schon!«
Ein breites Lächeln zeigte sich auf Ahmeds Gesicht. »Wie es Allah gefällt.« Er nahm sein Messer heraus und gab es zusammen mit seiner Pistole dem Wächter, der mit bleichem Gesicht dastand.
»Augenblick!« Erikki legte ihm die Hand auf den Arm. »Bitte sag dem Wächter, er soll nach einem Arzt schicken. Hakim und meine Frau … sie könnten verletzt sein.«
Ahmed gab dem Mann den Auftrag, ging den Korridor entlang und die Treppe hinauf. Auf dem Absatz durchsuchten ihn Bayazids Kämpfer nach Waffen und führten ihn dann in das Zimmer des Khans. Erikki hielten sie an der Tür zurück, und ein Mann setzte ihm das Messer an die Kehle. Als Ahmed sah, daß der Khan tatsächlich lebte und mit düsterem Gesichtsausdruck neben der noch bewußtlosen Azadeh saß, murmelte er »Gelobt sei Allah«, und lächelte ihm zu. »Hoheit, ich habe nach einem Arzt geschickt.« Dann wandte er sich an Bayazid.
»Ich bin Ahmed Dursak, der Turkmene«, erklärte er stolz in sehr formalem Türkisch. »Im Namen Allahs: Es ist wahr, daß Abdullah Khan tot ist, wahr, daß ich das halbe Lösegeld – 5 Millionen Rial – gestern abend im Auftrag des neuen Khans an zwei Boten des Häuptlings al-Drah des Dorfes Gespaltener Baum bezahlt habe – als Vertrauensbeweis nach der vom verstorbenen Khan anbefohlenen, durch nichts zu rechtfertigenden Tötung deines Boten. Die Namen der Männer waren Ischmud und Alilah, und ich schickte sie in einem bequemen Wagen nach Norden.« Ein Murmeln des Erstaunens ging durch den Raum. Ein Irrtum war ausgeschlossen, denn alle kannten diese falschen Namen, Decknamen, die dazu dienten, das Dorf und den Stamm zu schützen. »Im Auftrag des neuen Khans sagte ich ihnen, daß die zweite Hälfte sofort nach Freilassung des Piloten und seiner Maschine bezahlt würde.«
»Wo ist denn dieser neue Khan, wenn es ihn überhaupt gibt?« stotterte Bayazid. »Soll er es uns doch selbst sagen.«
»Ich bin der Khan aller Gorgons«, erklärte Hakim, und plötzlich trat Stille ein. »Hakim Khan, der älteste Sohn Abdullah Khans!«
Die Überraschung auf Erikkis Gesicht entging auch Bayazid nicht. Der Scheich versuchte seine Unsicherheit durch finstere Blicke zu kaschieren. »Nur weil du es sagst, heißt das noch lange nicht …«
»Du nennst mich einen Lügner in meinem eigenen Haus?«
»Ich sage nur zu diesem Mann«, Bayazid deutete mit dem Daumen auf Ahmed, »daß, wenn er behauptet, das Lösegeld, das halbe Lösegeld bezahlt zu haben, daß das nicht heißt, daß er bezahlt hat und die Männer nicht nachher überfallen und töten ließ!«
»Ich habe die Wahrheit gesagt und wiederhole sie vor Allah, daß ich sie mit dem Geld nach Norden geschickt habe. Gebt mir ein Messer, nimm du ein Messer, und ich werde dir zeigen, was ein Turkmene mit einem Mann macht, der ihn einen Lügner nennt!« Die Krieger waren entsetzt, als sie merkten, in was für eine ungünstige Lage sich ihr Anführer begeben hatte. »Du nennst uns Lügner, mich und meinen Khan?«
In die Stille hinein regte sich stöhnend Azadeh. Sogleich wollte Erikki zu ihr, aber das Messer an seiner Kehle wich
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