Wirbelsturm
das Papier und schlenderte zur Einbauküche hinüber. Das Papier enthielt hastig hingeworfene Zahlenreihen, Temperaturen, Windrichtungen und -stärken für alle nur erdenklichen Höhen sowie Messungen des atmosphärischen Druckes und die Wettervorhersagen für morgen. »Der Tower in Abadan sagt, die Zahlen seien auf dem neuesten Stand. Alle heute von British Airways gelieferten Daten seien berücksichtigt. Sieht gar nicht so übel aus, was?«
»Wenn alles stimmt.« Die Vorhersage prophezeite abnehmende Niederschlagstätigkeit gegen Mitternacht und verminderte Windstärke. Lutz drehte die Musik lauter, und Kelly setzte sich neben ihn. Er senkte seine Stimme. »Wir kämen da ganz gut raus, aber für Kowiss könnte es scheußlich unangenehm werden. Wenn wir nach Bahrain wollen, müssen wir auch im Flug auftanken.«
Genüßlich nippte Kelly an seinem Kaffee: heiß, stark, mit einem Löffel Kondensmilch. »Was würdest du an Andys Stelle tun?«
»Wenn ich mich um drei Stützpunkte sorgen müßte …« Draußen ein Geräusch. Lutz stand auf und schaute aus dem Fenster. Nichts. Dann wieder das Miauen des Katers, diesmal näher. »Diese verdammten Katzen. Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich sie höre.«
»Ich mag Katzen.« Kelly lächelte. »Zu Hause haben wir drei; zwei Siamesen und eine Tigerkatze. Bette sagt, die Jungs machen sie noch wahnsinnig, weil sie unbedingt eine vierte haben wollen.«
»Wie geht es denn Bette?« Der heutige British-Airways-Flug nach Abadan hatte ihnen Post gebracht, die erste nach vielen Wochen, dazu von Gavallan die letzten Instruktionen für die Operation ›Wirbelsturm‹ – und auch noch Sandor Petrofi für die vierte 212.
»Gut, wunderbar – es fehlen noch genau 20 Tage. Mein altes Mädchen ist für gewöhnlich … pünktlich. Ich freue mich schon, daheim zu sein, wenn der Klapperstorch kommt. Der Arzt sagt, es wird endlich ein Mädchen.«
»Gratuliere!« Alle wußten, wie sehnlich sich die Kellys ein Mädchen wünschten. Aber sieben Jungs und ein Mädchen, da waren eine Menge Mäuler zu stopfen. Lutz mußte daran denken, wie schwer es ihm fiel, alle Rechnungen zu bezahlen, bei nur drei Kindern und einem schuldenfreien Haus – ihr Vater, Gott segne den alten Gauner, hatte es ihnen hinterlassen. »Das sind eine Menge Mäuler – ich weiß gar nicht, wie du das schaffst.«
»Oh, wir kommen durch, es geht so.« Kelly betrachtete noch einmal die Vorhersage und runzelte die Stirn. »Weißt du, an Andys Stelle würde ich das Startsignal geben und nichts verschieben.«
»Wenn es nach mir ginge, würde ich die ganze verrückte Idee vergessen.« Lutz rückte näher. »Mir ist klar, daß es für Andy eine schwere Zeit werden könnte. Vielleicht müßte die Gesellschaft zumachen, vielleicht. Aber wir könnten alle neue Jobs bekommen. Wir müssen an unsere Familien denken, und ich hasse überhaupt diese illegalen Sachen. Wie zum Teufel sollen wir uns denn verkrümeln? Es ist doch gar nicht möglich. Wenn wir …«
Autoscheinwerfer leuchteten durchs Fenster, der Lärm eines starken Motors kam näher, um plötzlich zu verstummen.
Lutz war als erster am Fenster. Er sah Zataki mit einigen hezbollahis aus dem Wagen steigen, und dann kam Numi, ihr Stützpunktmanager, mit einem Regenschirm aus dem Bürotrailer auf ihn zu. »Scheiße!« murmelte Lutz, drehte die Musik ab und steckte die Vorhersage in die Tasche. »Salaam, Herr Oberst«, sagte er und öffnete die Tür. »Suchen Sie mich?«
»Salaam, Captain, ja, ich suche Sie.« Eine Maschinenpistole der US-Army über der Schulter, kam Zataki herein. »Guten Abend. Wieviel Hubschrauber sind jetzt da, Captain!«
Numi begann: »Vier 212 und …«
»Ich habe den Captain gefragt«, fuhr Zataki ihn an. »Wenn ich eine Information von Ihnen benötige, werde ich es Sie wissen lassen. Captain?«
»Vier 212, zwei 206, Herr Oberst.«
Zu aller, insbesondere aber Numis Bestürzung sagte Zataki: »Schön. Ich wünsche, daß sich morgen um 8 Uhr früh zwei 212 bei Iran-Toda melden, um dort nach Anweisungen von Agha Watanabe – das ist dort der Chef – zu arbeiten. Von morgen an täglich. Kennen Sie ihn?«
»Ich … ja, ich … wir hatten mal eine CASEVAC, und da haben wir ihnen ausgeholfen.« Lutz versuchte sich zusammenzureißen. »Werden sie denn am heiligen Tag arbeiten, Herr Oberst?«
»Ja. So wie Sie auch.«
Numi protestierte. »Aber der Ayatollah hat gesagt …«
»Er ist nicht das Gesetz. Halten Sie den Mund.« Zataki sah Lutz an.
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