Wirbelsturm
wimmerte sie stets durch die versperrte Tür.
Solange Meschang daheim war, achteten Scharazad, Zarah und auch die anderen Familienmitglieder darauf, ihm zu schmeicheln und schönzutun. »Keine Bange«, hatte Zarah ihre Schwägerin beruhigt, »den kriegen wir schon noch kirre. Er glaubt wohl, ich habe vergessen, wie er mich gedemütigt und geschlagen hat, und ich weiß nichts von dieser kleinen Hure, die dieser miese Hundesohn Kia ihm vermittelt hat. Keine Bange, liebste Scharazad, ich werde mich revanchieren. Es ist unverzeihlich, wie er dich und deinen Mann behandelt. Bald werden wir wieder reisen können. Paris, London, vielleicht sogar New York … Er wird kaum Zeit haben, uns zu begleiten, und dann, dann werden wir auf den Putz hauen, durchsichtige Blusen tragen und Dutzende von Verehrern haben.«
Tief im Inneren ließen sie diese Gedanken vor Erregung zittern. Ich fahre mit meinem Sohn nach New York, nahm sie sich vor. Bald werden wir wieder ein normales Leben führen, die Macht der Mullahs über Khomeini wird gebrochen und das Revolutionäre Komitee auseinandergejagt sein. Wir werden eine echte, demokratisch gewählte, islamische Regierung unter Ministerpräsident Bazargan haben. Nie wieder wird man die Rechte der Frauen antasten, nie wieder die Tudeh für ungesetzlich erklären. Diese Regierung wird für alle da sein, und im Land wird Frieden herrschen.
»Hallo, liebster Meschang, wie gut du heute aussiehst! Aber ein bißchen müde wirkst du. Du darfst einfach nicht so hart für uns alle arbeiten. Hier, laß dir ein Glas Zitronenlimonade einschenken!«
»Danke.« Gegen Kissen gelehnt, rekelte sich Meschang auf den Polstern. Er hatte die Schuhe ausgezogen und aß bereits. Zarah war in seiner Nähe und bedeutete Scharazad mit einer Handbewegung, sich neben sie zu setzen. »Wie geht es dir?« fragte Meschang.
»Wunderbar. Keine Spur von Übelkeit.«
Meschang machte ein verdrießliches Gesicht. Zarah war es ständig übel, sie blies immerzu Trübsal, während andere Frauen … »Hoffen wir, daß alles normal abläuft, wo du doch so mager bist. Inscha'Allah.«
Beide Frauen setzten ein Lächeln auf, um ihre Haßgefühle zu verbergen. Sie verstanden einander. »Hattest du einen guten Vormittag, Meschang? Es muß schrecklich anstrengend für dich sein, da es so viel zu tun gibt und so viele da sind, für die du sorgen mußt.«
»Es ist schwer, weil ich von Dummköpfen umgeben bin, liebe Schwester. Es wäre alles so leicht, wenn ich tüchtige, gut ausgebildete Menschen um mich hätte.« Und noch viel leichter, wenn du Vater nicht getäuscht und um den Finger gewickelt, deinen ersten Mann nicht im Stich gelassen und durch deinen zweiten Schande über uns alle gebracht hättest, dachte er. Soviel Pein hast du mir bereitet, liebe Schwester, du mit deinem ausgezehrten Gesicht, deiner schwindsüchtigen Figur und deiner Dummheit. Und das mir, der sich aufgerieben hat, dich vor dir selbst zu retten. Allah sei gedankt, daß meine Bemühungen solche Früchte getragen haben!
»Es muß ein schrecklich hartes Leben für dich sein, Meschang«, sagte Zarah. »Ich wüßte nicht, wo ich anfangen sollte.« Dabei dachte sie: Ein Kinderspiel, das Geschäft zu führen, wenn man weiß, wo die Schlüssel sind und die Konten und die Kundenwechsel – und wenn man die Familiengeheimnisse kennt. Du verwehrst uns die Gleichberechtigung, weil es uns leicht fallen würde, dich auszuschalten und uns in die besten Positionen zu verschanzen.
Der Lamm-Khoresch und der golden schimmernde, knusprige Reis schmeckten köstlich, und Meschang aß mit Appetit. Du mußt dich zurückhalten, ermahnte er sich, du willst doch nicht zu müde sein für die kleine Yasmin heute nachmittag. Ich habe nie gewußt, wie lebendig und aufregend eine zinaat sein kann und wie süß junge Lippen schmecken. Wenn ich ihr ein Kind mache, heirate ich sie, und Zarah kann machen, was sie will.
Er streifte sie mit einem Blick. Sofort hörte sie auf zu essen, lächelte ihm zu und gab ihm eine Serviette, mit der er sich den Bart von Fett und Speiseresten säubern konnte. »Danke«, sagte er höflich und aß weiter. Nachdem ich mich mit Yasmin vergnügt habe, dachte er dabei, kann ich ein Stündchen ruhen. Dann muß ich wieder an die Arbeit. Ich wollte, Kia, dieser Hund, wäre wieder zurück. Wir haben viel miteinander zu bereden und zu planen.
»Meschang, mein Teuerster, hast du auch diese Gerüchte gehört? Die Generäle sollen beschlossen haben, einen Putsch zu
Weitere Kostenlose Bücher