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Wirbelsturm

Wirbelsturm

Titel: Wirbelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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noch zwei Vögel und fünf Personen. Dann können wir feiern.« Auch mein alter Herr wird dann einer großen Last ledig sein, dachte er. Er wird wieder lächeln und 1.000 Jahre leben. Die alte, bohrende Frage stieg in ihm auf: Was tue ich, wenn Vater einmal nicht mehr ist? Es fröstelte ihn. Es kann jeden Tag passieren. Denk doch nur an Jordon oder Talbot – oder an Duke oder dich selbst. Ein Zollbreit, und du bist tot oder bleibst am Leben. Gottes Wille? Karma? Ich weiß es nicht, und es ist auch nicht wichtig. Sicher ist für mich nur eines: Seit meiner Verwundung bin ich ein anderer Mensch. Mein ganzes Leben hat sich verändert. Die Gewißheit, daß nichts mich jemals erschüttern kann, ist für immer dahin. Geblieben ist eine gottverdammte, eisige, stinkende Gewißheit, daß ich sehr sterblich bin. Allmächtiger! Ob auch Duke solche Gefühle hat?
    Sein Blick fiel auf Manuela. Sie starrte ihn an. »Tut mir leid, ich habe nicht aufgepaßt«, entschuldigte er sich und fing an, Newburys Nummer zu wählen.
    »Ich meinte nur«, sagte Manuela, »es sind doch drei Vögel und mehr Personen, oder? Du hast Erikki und Azadeh vergessen, wenn du Scharazad nicht auch mitrechnen willst.«
    Teheran   – im Hause Bakravan: 13 Uhr 14. Nackt stand Scharazad vor dem hohen Spiegel in ihrem Badezimmer und überprüfte von der Seite ihre Figur. Heute morgen war ihr aufgefallen, daß ihre Brustwarzen empfindlicher und ihre Brüste straffer geworden zu sein schienen. »Kein Grund zur Sorge«, hatte Zarah, Meschangs Frau, gesagt und gelacht. »Bald wirst du rund sein wie ein Ballon und dir einbilden, daß du nie wieder in deine Kleider hineinkommst. Und wie häßlich du dir vorkommen wirst! Aber sorge dich nicht! Du wirst wieder in deine Kleider passen, und du wirst nicht häßlich aussehen.«
    Heute war Scharazad sehr glücklich. Sie beguckte sich genau, um festzustellen, ob sie irgendwelche Runzeln hatte, probierte alle möglichen Frisuren aus und war mit dem, was sie sah, durchaus zufrieden. Nach dem Bad war ihr Körper jetzt völlig abgetrocknet, und sie schlüpfte in ihre Unterwäsche. Jari kam geschäftig hereingeeilt. »Oh, Prinzeßchen, bist du immer noch nicht fertig? Seine Eminenz, dein Bruder, kann jeden Augenblick zum Essen kommen, und das ganze Haus fürchtet einen seiner Wutausbrüche. O bitte, beeil dich! Wir wollen ihn doch nicht reizen …« Vor sich hinbrummelnd und Scharazad zur Eile drängend, fing sie an, Ordnung zu machen. In wenigen Minuten war Scharazad angezogen. Nylonstrümpfe – seit Monaten gab es keine Strumpfhosen mehr zu kaufen, nicht einmal auf dem schwarzen Markt –, ein warmes blaues Kaschmirkleid im neuesten Schnitt und eine dazu passende kurzärmelige Jacke. Noch schnell mit der Bürste durch das von Natur aus wellige Haar gefahren, eine Spur Lippenstift, ein Hauch Lidschatten um die Augen, und Scharazad war fertig.
    »Aber Prinzeßchen, du weißt doch, wie dein Bruder jedes Make-up haßt!«
    »Aber ich gehe doch nicht aus, und Meschang ist auch nicht …« Auch nicht mein Vater, hatte sie sagen wollen, unterließ es jedoch, weil sie diese Tragödie nicht aus den Tiefen ihrer Erinnerung hervorzuholen wünschte. Vater ist im Paradies, dachte sie. Es fehlen noch 25 Tage bis zum Tag des Trauerendes, dem 40. Tag nach seinem Tod, und bis dahin müssen wir trotz all des Trauerns weiterleben.
    Und die Liebe?
    Sie wußte nicht, was damals geschehen war, als sie Jari ins Café geschickt hatte, um ›ihn‹ von der Rückkehr ihres Gatten zu verständigen, ihm sagen zu lassen, daß das, was nie begonnen hatte, nun zu Ende war. Sie tat, als hätte ›er‹ keinen Namen gehabt und als wäre er nur Teil eines wunderbaren Traums gewesen. O mein Geliebter, dachte sie. Ob du mich wohl auch weiterhin in meinen Träumen besuchen wirst?
    Im Erdgeschoß hörten sie Lärm und beide wußten, daß Meschang gekommen war. Scharazad blickte ein letztes Mal in den Spiegel und ging hinunter. Nach seinem Krach mit Lochart war Meschang mit seiner Familie ins Haus zurückübersiedelt. Es war ein sehr großes Haus. Scharazad hatte immer noch ihr Zimmer und freute sich sehr, daß Zarah und ihre drei Kinder jetzt der drückenden Stille und düsteren Stimmung ein Ende machten. Ihre Mutter war zur Einsiedlerin geworden, bewohnte ihren eigenen Flügel und ließ sich nur von ihren eigenen Mädchen bedienen; sie weinte und betete den ganzen Tag. Nie verließ sie ihre Räume, nie bat sie jemanden zu Besuch. »Laßt mich allein«,

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