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Wirbelsturm

Wirbelsturm

Titel: Wirbelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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sind.« Stimmt doch, dachte er zornig. Ein paar Fehler von einigen Sadisten, ein paar ungehobelte Bauern als Gefangenenaufseher – die meisten waren ohnehin knoblauchfressende Koreaner und alle Japaner müssen ewig darunter leiden. Es ist eine Schande für Japan. Und unsere größte Schande ist, daß unser oberster Kriegsherr seine Pflicht nicht erfüllt und dadurch dem Kaiser die Schande aufgezwungen hat, den Krieg zu beenden. »Bitte, nehmen Sie meine Entschuldigung für uns alle an!«
    Scragger starrte ihn an und erwiderte nach einer Weile einfach: »Es tut mir leid, aber das kann ich nicht. Erstens war mein ehemaliger Partner Forsyth der erste, der Changi betrat: Er hat den Anblick nie überwunden. Zweitens sind zu viele meiner Freunde, nicht nur als Kriegsgefangene, ums Leben gekommen. Ich kann das nicht vergessen. Außerdem möchte ich es nicht. Denn wenn ich es täte, würde ich sie verraten. Wir haben sie ohnedies durch den Frieden verraten – was für einen Frieden? Ich finde, daß wir sie alle verraten haben. Es tut mir leid, aber so ist es.«
    »Verstehe ich. Dennoch können wir beide Frieden schließen, Sie und ich. Oder?«
    »Vielleicht. Vielleicht später.«
    Freilich, später, dachte Kasigi. Heute habe ich mich wieder in Todesnähe befunden. Wieviel Zeit haben wir, du und ich? Die Zeit ist doch nur eine Illusion, und das Leben nur eine Illusion inmitten von Illusionen. Und der Tod? Das Todesgedicht seines verehrten Vorfahren, des Samurai Yabu Kasigi, drückte es allgemeingültig aus: »Was sind Wolken, wenn nicht eine Rechtfertigung für den Himmel? Was ist das Leben, wenn nicht eine Flucht vor dem Tod?«
    Sein Vorfahre war Daimy ō von Izu und Baka gewesen und Anhänger von Yoshi Toronaga, dem ersten und größten der Toronaga-Sh ō gune. Doch Yabu Kasigi lebte im Gedächtnis der Menschen nicht etwa weiter, weil er seinem Lehnsherrn die Treue gehalten oder weil er sich in der Schlacht tapfer geschlagen hatte. O nein, Yabu hatte Toronaga verraten oder versucht, ihn zu verraten, und deshalb hatte ihm der Sh ō gun befohlen, seppuku zu begehen – den rituellen Tod durch Aufschlitzen des Bauches. Man gedachte Yabus wegen der Kalligraphie seines Todesgedichtes und wegen seines Mutes, als er seppuku beging. Er kniete an diesem Tag vor den versammelten Samurais und schickte verächtlich jenen Samurai fort, der mit einem langen Schwert hinter ihm stehen und ihm den Kopf abschlagen sollte, damit ihm die Schande erspart blieb, aufzuschreien. Er ergriff das kurze Messer, stieß es sich tief in den Bauch und führte dann langsam die vier Schnitte aus – beim schwierigsten seppuku schnitt man quer und hinunter, quer und hinauf –, hob dann selbst seine Gedärme heraus und starb endlich, ohne einen Laut von sich zu geben. Kasigi schauderte bei der Vorstellung, das gleiche tun zu müssen, denn er wußte, daß er dazu nie den Mut aufbringen würde …
    Er bemerkte, daß Scragger ihn beobachtete.
    »Ich bin auch im Krieg gewesen«, sagte er unwillkürlich. »Ich habe in China, Malaysia und Indonesien Zeros geflogen. Auch in Neuguinea. Der Mut im Krieg ist anders als … der Mut, wenn man allein ist … Ich meine, nicht im Krieg, nicht wahr?«
    »Ich verstehe Sie nicht.«
    Ich habe seit Jahren nicht mehr an den Krieg gedacht, überlegte Kasigi, und Angst stieg in ihm auf. Er erinnerte sich daran, daß ihm die Vorstellung zu sterben oder verstümmelt zu werden Entsetzen eingeflößt hatte – ganz wie heute, als er sicher gewesen war, daß sie alle ums Leben kommen würden. Ja, und heute haben wir uns nicht anders verhalten als damals im Krieg: Wir haben uns an das Erbe des Landes der Götter erinnert und unser Entsetzen überwunden, wie man es uns von Kindheit an gelehrt hat. Wir haben Ruhe und Harmonie vorgetäuscht, um nicht Schande über uns zu bringen. Damals griffen wir auf Befehl des Kaisers den Feind an, so gut wir konnten, und als er uns dann befahl, die Waffen niederzulegen, gehorchten wir dankbar, auch wenn die Schande groß war. Einige empfanden die Schande als unerträglich und begingen Selbstmord. Habe ich meine Ehre verloren, weil ich ihrem Beispiel nicht gefolgt bin? Nein. Ich habe dem Kaiser gehorcht, der uns befahl, das Unerträgliche zu ertragen, und bin dann in die Firma meines Vetters eingetreten. Ich habe mein Teil dazu beigetragen, als wir Toda Shipping Industries auf den Ruinen von Yokohama zu einer der größten Firmen Japans aufgebaut haben. Und heute habe ich wieder meine gesamte

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