Wirbelsturm
alles war blutverschmiert, und überall lagen Eingeweide.
»Wer bist du?« fragte ihn der Mullah scharf und rüttelte ihn. »Warum hast du das getan?«
Der junge Mann schlug die Augen auf. Ohne Brille sah er nur verschwommen, deshalb tastete er blindlings nach ihr. Dann überwältigte ihn das Entsetzen vor dem Tod. Er versuchte, die Schahada zu sprechen, stieß jedoch nur einen verzweifelten Schrei aus. Blut stieg ihm in die Kehle und würgte ihn.
»Wie es Allah gefällt.« Der Mullah wandte sich ab. Er bemerkte die zerbrochene Brille im Staub und hob sie auf. Ein Glas war zersplittert, das andere fehlte. »Warum haben sie das getan?« fragte einer der hezbollahis. »Wir haben keinen Befehl, die Ölleitungen zu zerstören – noch nicht.«
»Vermutlich waren es Kommunisten oder islamisch-marxistisches Gesindel.« Der Mullah warf die Brille weg. Sein Gesicht war zerschlagen, sein langes Gewand zerrissen, und er war hungrig. »Sie sehen aus wie Studenten. Möge Allah alle Seine Feinde so schnell töten.«
»He, seht euch das an!« rief ein anderer. Er hatte den Wagen durchsucht und drei Maschinenpistolen und ein paar Handgranaten gefunden. »Alles tschechoslowakische Produkte. Nur Linke sind so gut ausgerüstet. Diese Hunde waren tatsächlich unsere Feinde.«
»Allah sei gelobt! Gut, wir können die Waffen brauchen. Kommen wir mit dem Lastwagen über den zerstörten Graben?«
»O ja, ohne Schwierigkeiten, Allah sei Dank«, antwortete der Fahrer, ein dicker, bärtiger Mann. Er arbeitete auf einem Ölfeld und kannte sich mit Pipelines aus. »Wir sollten den Sabotageakt melden«, fügte er beunruhigt hinzu. »Das ganze Gebiet kann in die Luft fliegen. Am besten rufe ich die Pumpstation an – falls das Telefon funktioniert – oder ich schicke eine Nachricht, damit sie den Durchfluß abschalten. Wir sollten uns lieber beeilen. Das gesamte Gebiet ist gefährdet, und das Öl wird den ganzen Fluß verschmutzen.«
»Das liegt in Allahs Hand.« Der Mullah sah zu, wie die Öllache sich ausbreitete. »Trotzdem ist es nicht richtig, wenn man die Reichtümer, die Er uns gegeben hat, vergeudet. Gut, du wirst vom Flughafen aus anrufen.« Der junge Mann stieß wieder einen erstickten Hilferuf aus. Sie überließen ihn sich selbst und dem Tod.
Flughafen Bandar-e Delam: 17 Uhr 30. Bis auf das vor einigen Wochen von der Insel Kharg hierher verlegte S-G-Kontingent war der Zivilflughafen unbewacht, verlassen und nicht in Benutzung. Er umfaßte zwei kurze Startbahnen, einen kleinen Tower, ein paar Hangars, ein einstöckiges Verwaltungsgebäude und einige Baracken. Zum S-G-Kontingent gehörten ein paar moderne Wohnwagen, provisorische Unterkünfte und eine Einsatzzentrale. Der Flughafen Bandar-e Delam sah genauso aus wie alle zivilen Flugplätze, die der Schah im gesamten Iran hatte anlegen lassen. Aber seit vor sechs Monaten die Unruhen eingesetzt hatten und alle Inland-Zubringerfluglinien bestreikt wurden, war ein allgemeines Startverbot verhängt worden, und die Flughäfen wurden geschlossen. Das Bodenpersonal und der Stab waren verschwunden. Die meisten Flugzeuge standen im Freien ohne Wartung oder Betreuung. Von den drei zweimotorigen Jets auf dem Vorfeld hatten zwei platte Reifen, und beim dritten war eine Scheibe des Cockpits zerbrochen. Bei allen Maschinen hatten Plünderer die Tanks entleert. Alle waren schmutzig, beinahe unbrauchbar. Und traurig.
Captain Rudolf Lutz, der rangälteste Pilot, kontrollierte den letzten der fünf Helikopter von S-G, die im Kontrast zu den anderen Flugzeugen in der Sonne funkelten. »Sehr gut«, meinte er schließlich. »Ihr könnt sie wegbringen.« Er sah zu, wie der Mechaniker und das iranische Bodenpersonal die Hubschrauber in die Hangars zurückschoben. Er wußte, daß ein Teil des Bodenpersonals hinter seinem Rücken über seine übertriebene Genauigkeit spottete, aber das spielte keine Rolle, solange sie nur gehorchten. Das wird unser größtes Problem sein, dachte er, wie wir sie dazu bringen werden zu gehorchen, wenn wir keiner Militärgesetzgebung unterstehen und bloß Nichtkombattanten mitten im Kriegsgebiet sind, ob Duncan McIver es nun sehen will oder nicht. An diesem Morgen hatte Conroe Starke in Kowiss über den Hochfrequenzsender McIvers knappe Meldung von einem Angriff auf den Teheraner Flughafen und von der Revolte auf dem Luftwaffenstützpunkt bei Kowiss durchgegeben; wegen der Entfernung und des Gebirges konnte Bandar-e Delam außer mit Kowiss weder mit Teheran noch mit
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