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Wirbelsturm

Wirbelsturm

Titel: Wirbelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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hatte, herrschte dort unheildrohende Ruhe.
    Doch war dieser Rückzug noch kein echter Notfall gewesen. Lutz wußte nicht, wie er sich in einer Krisensituation verhalten würde. Eine Woche zuvor war er nach Kowiss geflogen, um Ersatzteile zu holen, und hatte Starke gefragt, was er in einem solchen Fall in Kowiss tun würde.
    »Dasselbe wie du, Rudi. Wir würden versuchen, gemäß den Vorschriften der Firma vorzugehen, die aber natürlich nicht anwendbar sind. Wir können allerdings ein paar Pluspunkte für uns buchen: Beinahe alle unsere Leute sind ehemalige Angehörige der Luftwaffe, also ergibt sich eine Art Rangordnung. Aber man kann so viele Pläne machen, wie man will, wenn es ernst wird, ist es immer das gleiche: Ein paar Leute werden einfach die Nerven verlieren, und man weiß nie, wie man selbst reagieren wird.«
    Lutz war nie im Krieg gewesen, hatte aber bei der deutschen Bundeswehr gedient und war in den fünfziger Jahren an der Grenze zur DDR stationiert gewesen.
    Er war in einem kleinen Dorf in der Nähe von Plauen zur Welt gekommen. 1945 war er 12 gewesen, sein Bruder 16 und bereits Flakhelfer. Während des Krieges war es ihm, seiner Mutter und seiner jüngeren Schwester nicht schlecht gegangen. Auf dem Land gab es einigermaßen genug zu essen. 1945 waren sie vor den Sowjets geflohen und hatten nur mitgenommen, was sie tragen konnten. Während des Trecks war er einmal mit seiner Mutter in der Nähe von Nürnberg auf eine Müllhalde gegangen, weil seine Mutter unbedingt einen Teekessel haben wollte – man hatte ihnen den ihren während der Nacht gestohlen. »Wir müssen einen Teekessel haben«, hatte seine Mutter gejammert, »um das Wasser abzukochen, sonst bekommen wir Typhus oder Ruhr.« Er hatte sie weinend begleitet, weil er davon überzeugt war, daß sie vergebens suchte, aber sie waren dann doch auf einen Teekessel gestoßen. Er war zwar alt und verbeult, die Tülle war verbogen, der Griff locker, aber er hatte einen Deckel und war dicht. Heute funkelte der Kessel vor Sauberkeit, und er stand in ihrem Haus in der Nähe von Freiburg im Breisgau auf dem Kaminsims. Dort lebten jetzt seine Frau, seine Kinder und seine Mutter. Und jedes Jahr am Silvesterabend kochte seine Mutter im Kessel Wasser und brühte damit den Tee auf.
    Plötzlich schrie jemand eine Warnung. Lutz drehte sich um und sah drei Armeelastwagen durchs Tor hereinrasen; der eine fuhr zum Tower, die anderen beiden zu den Hangars. Sie hielten mit quietschenden Reifen an, hezbollahis sprangen herunter und verteilten sich über das Gelände des Flughafens. Zwei Männer liefen mit dem Gewehr im Anschlag auf ihn zu und schrieen auf Persisch etwas, was er nicht verstand, während die anderen seine Leute beim Hangar zusammentrieben. Er hob entsetzt die Arme, als ihm die beiden hezbollahis die Gewehrläufe vors Gesicht hielten.
    »Ich bin nicht bewaffnet«, keuchte er. »Was wollt ihr?«
    Er bekam keine Antwort. Hinter ihm wurde der Rest seiner Mannschaft aus den Wohnwagen auf das Vorfeld getrieben. Einige der hezbollahis sprangen in die Hubschrauber, durchsuchten sie, beschädigten die Instrumente, einer riß die ordentlich zusammengefalteten Schwimmwesten aus den Taschen. Lutz' Wut war größer als seine Angst. »Ihr verrückten Dummköpfe!« brüllte er. »Laßt meine Flugzeuge in Ruhe!« Ohne zu überlegen, schob er die Gewehrläufe beiseite und rannte zu den Helikoptern. Einen Augenblick lang sah es aus, als würden die beiden Iraner schießen, doch dann liefen sie nur hinter ihm her, holten ihn ein und rissen ihn herum. Einer hob das Gewehr, um ihm mit dem Kolben ins Gesicht zu schlagen.
    »Halt!«
    Die Männer erstarrten.
    Der Mann, der den Befehl gerufen hatte, war Anfang 30 und kräftig gebaut, er trug grobe Kleidung und eine grüne Armbinde, hatte einen Stoppelbart, dunkles, gewelltes Haar und dunkle Augen. »Wer führt hier den Befehl?«
    »Ich!« Lutz riß sich von seinen Angreifern los. »Was tun Sie hier? Was wollen Sie?«
    »Wir nehmen diesen Flugplatz im Namen der Revolution in Besitz.« Der Mann sprach Englisch mit britischem Akzent. »Wie viele Luftwaffenangehörige gibt es hier?«
    »Überhaupt keine. Auch kein Flugsicherungspersonal. Außer uns befindet sich niemand hier.« Lutz versuchte, wieder zu Atem zu kommen.
    »Kein Militär?« Die Stimme klang drohend.
    »Nein. Seit wir vor ein paar Wochen hierhergekommen sind, waren von Zeit zu Zeit nur Patrouillen da. Aber es sind keine Luftwaffenangehörigen hier stationiert. Auch

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