Wirbelsturm
Reiche, Arme, Gute, Schlechte – auch viele Verbrecher. Einige haben wir zurückgeschickt, andere konnten ihren Weg fortsetzen. Inscha'Allah! Bitte, warten Sie hier!«
Er brachte sie nicht in eine Zelle, sondern in einen Raum mit ein paar Stühlen und einem Tisch, vergitterten Fenstern und vielen Fliegen. Aber es war warm hier und relativ sauber. »Können wir etwas zu essen und zu trinken haben und telefonieren?« fragte Azadeh. »Wir können bezahlen, Sergeant Effendi.«
»Ich werde etwas aus dem Gasthaus für Sie kommen lassen. Das Essen ist gut und nicht teuer.«
»Mein Mann fragt, ob er telefonieren kann. Bitte!«
»Gewiß – zur gegebenen Zeit.«
Das war am Vormittag gewesen, und jetzt war es Spätnachmittag. Längst war das Essen gekommen: Reis, Hammelbraten, Fladenbrot und türkischer Kaffee. Sie hatten mit Rials bezahlt und waren nicht übervorteilt worden. Der Sergeant hatte ihnen eine Kanne mit Wasser und ein altes Waschbecken bringen lassen. Es gab keine Medikamente, nur Jodtinktur. So gut er konnte, hatte Erikki seine Wunden gereinigt und dabei vor Schmerz die Zähne zusammengebissen. Er fühlte sich immer noch schwach und erschöpft. Er hatte sich auf einen Stuhl gesetzt, die Beine auf einen anderen gelegt und war eingedöst. Von Zeit zu Zeit ging die Tür auf, ein Polizist kam herein und ging wieder. »Dummköpfe«, murmelte Erikki, »wo sollten wir denn hinlaufen?« Sie hatte ihn beruhigt, sich in seine Nähe gesetzt und die ganze Zeit über keine Miene verzogen. Mit gekämmtem Haar, gewaschenem Gesicht, den Kaschmirpullover ausgebürstet, fühlte sie sich jetzt wohler. Durch die Tür hörte sie Gespräche, gelegentlich das Läuten des Telefons. Autos und Lastkraftwagen fuhren vorbei. Die Fliegen summten. Da überkam sie Müdigkeit und ließ sie in unruhigen Schlaf fallen. Schwere Träume quälten sie: Motorenlärm und Schüsse, Hakim jagte zu Pferd wie ein Kosak hinter ihnen her. Erikki und sie steckten bis zum Hals in der Erde, die Hufe donnerten auf sie zu und …
Die Tür ging auf, beide schreckten auf. Flankiert vom Sergeanten und zwei anderen Polizeibeamten stand ein Major in makelloser Uniform vor ihnen und maß sie mit finsteren Blicken. Er war ein großgewachsener Mann mit harten Gesichtszügen. »Ihre Papiere, bitte«, wandte er sich an Azadeh.
»Ich habe sie dem Sergeanten gegeben, Major Effendi.«
»Sie haben ihm einen finnischen Paß gegeben. Ihre iranischen Papiere.« Der Major hielt ihr die offene Hand hin. Sie war offensichtlich zu langsam. Der Sergeant trat vor, riß ihr die Umhängetasche von der Schulter und schüttete den Inhalt auf den Tisch. Gleichzeitig stakste einer der Polizisten, die Hand auf dem Revolver in seinem offenen Halfter, zu Erikki und bedeutete ihm, sich in eine Ecke zu begeben. Der Major entfernte ein paar Stäubchen von einem Stuhl, setzte sich, nahm Azadehs iranischen Personalausweis zur Hand, studierte ihn aufmerksam, betrachtete die Dinge auf dem Tisch und öffnete den Schmuckbeutel. Seine Pupillen weiteten sich. »Wo haben Sie das her?«
»Es gehört mir. Ich habe es von meinen Eltern geerbt.« Azadeh hatte Angst. Sie hatte keine Ahnung, was der Major wußte, und sie hatte gesehen, wie er sie musterte. Auch Erikki hatte es gesehen. »Darf mein Mann telefonieren? Er möchte …«
»Zur gegebenen Zeit! Das hat man Ihnen doch schon mehrmals gesagt. Zur gegebenen Zeit heißt zur gegebenen Zeit.« Der Major schloß den Beutel und legte ihn vor sich auf den Tisch. Seine Augen glitten über Azadehs Brüste. »Ihr Gatte spricht kein Türkisch?«
»Nein, Major Effendi.«
Der Major wandte sich jetzt an Erikki und sagte in gutem Englisch: »Täbris hat einen Haftbefehl gegen Sie erlassen. Wegen Mordversuch und Entführung.«
Azadeh erbleichte, und Erikki bemühte sich, seiner Panik Herr zu werden. »Wen soll ich entführt haben, Sir?«
In den Augen des Majors blitzte Ärger auf. »Spielen Sie nicht mit mir! Diese Dame, Azadeh, die Schwester des Gorgon-Khans.«
»Sie ist meine Frau, wie kann ein Ehe …«
»Ich weiß, daß sie Ihre Frau ist, und Sie täten gut daran, mir die Wahrheit zu sagen. In dem Haftbefehl heißt es, Sie hätten sie gegen ihren Willen mitgenommen und wären in einem iranischen Helikopter geflohen.« Azadeh wollte ihm etwas sagen, aber der Major schnauzte sie an: »Ich habe ihn gefragt, nicht Sie! Also?«
»Es geschah ohne ihre Einwilligung, aber der Heli ist britisch und nicht iranisch.«
Der Major starrte ihn an und wandte
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